
Über 200 Journalisten hat Israels Armee in den letzten zwei Jahren getötet. Mit Bomben, mit Raketen, und mit der Unterstützung deutscher Medien.
Globale Medien, die internationale Gemeinschaft, Menschenrechtsorganisationen: Ihr alle behauptet, euch um die Pressefreiheit zu kümmern. Ihr postet Hashtags. Ihr haltet Konferenzen ab. Aber hier ist die Wahrheit: Ihr habt uns sterben lassen.
Nour El-Assy, Autorin aus Gaza
„Wenn diese Worte dich erreichen, dann wisst ihr, dass Israel es geschafft hat, mich zu töten und meine Stimme zum Schweigen zu bringen.“ Als diese Nachricht in der Nacht vom 10. auf den 11. August 2025 auf X erschien, war klar: Israels Armee hatte ihre Drohung wahr gemacht und Anas Al-Sharif, einen der bekanntesten palästinensischen Reporter, ermordet. Mit ihm tötete die israelische Armee in dieser Nacht den Reporter Mohammed Qreiqeh, den Kameramann Ibrahim Zaher, den Kameramann Moamen Aliwa und Kamera-Assistent Mohammed Noufal – das gesamte Team von Al-Jazeera in Gaza-Stadt.
Ein Staat ermordet fünf Journalisten. Indem er Kampfjets Raketen auf ein Pressezelt feuern lässt. Im Hof eines Krankenhauses. Mit voller Absicht und lange angedroht. Allein diese Nachricht hätte das Zeug für Breaking News und Sondersendungen gehabt. Für Titelseiten mit den Fotos der Getöteten. Für Solidaritätserklärungen und Hashtag-Kampagnen. Für offene Briefe und wütende Proteste von Medienschaffenden, die ihre Regierung auffordern, ihren verfolgten Kollegen in Gaza endlich zu Hilfe zu kommen.

Aber als Israel fünf ihrer Kollegen ermordete, entschieden sich viele deutsche Journalisten anders. Statt der Öffentlichkeit das Ausmaß dieses Verbrechens begreiflich zu machen, übernahmen sie die Propaganda der Mörder. „Als Journalist getarnter Terrorist in Gaza getötet“, titelte die BILD. Von der taz, über die Tagesschau, bis zur FAZ erfuhr man gleich zu Beginn der ersten Meldungen:
Das israelische Militär teilte mit, Ziel des Angriffs in Gaza-Stadt sei ein Anführer der radikalislamischen Hamas gewesen, der sich als Journalist des Senders Al Jazeera ausgegeben habe.
In den Tagen darauf begannen deutsche Redaktionen zu recherchieren: Nicht etwa zu den gut dokumentierten Verbrechen der israelischen Armee, sondern zum angeblichen Verbrecher Anas Al-Sharif. „War in Gaza getöteter Journalist Hamas-Terrorist?“, fragte die Tagesschau und so oder so ähnlich dutzende andere Medien. Gemeint war ein Journalist, dessen Arbeit jeden Tag Millionen Menschen am Bildschirm sehen konnten und vor dessen Ermordung Journalistenorganisationen und die Vereinten Nationen seit Monaten gewarnt hatten.
Das schlimmste aber am Fall von Anas Al-Sharif, der erst von Israels Armee ermordet und dem dann noch von vielen seiner deutschen Kollegen ein “richtig so” hinterhergerufen wurde: Er hat System.

Mehr getötete Journalisten als in jedem anderen Krieg
Seit zwei Jahren tötet Israel systematisch Gazas Journalisten. 196 Fälle getötete Medienschaffende hatte das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) bis zum 10. August 2025 dokumentiert. Von 242 sprachen zu diesem Zeitpunkt die Vereinten Nationen. Das Projekt stopmurderingjournalists.com kam auf Grundlage öffentlich zugänglicher Daten bis zum 24. August 2025 auf 307 getötete Journalisten.
Sicher ist: In Gaza tötete Israel mehr Journalisten als jede andere Kriegspartei jemals. In zwei Jahren starben auf dem Gebiet der Fläche Bremens mehr Medienschaffende als in den Kriegen in der Ukraine, in Afghanistan, in Jugoslawien, in Vietnam, Korea und den beiden Weltkriegen zusammen.

Beispiellos ist zugleich das Ausmaß der Gleichgültigkeit, mit der insbesondere Medien aus westlichen Ländern der systematischen Ermordung ihrer palästinensischen Kollegen gegenüberstehen. Schlimmer noch: Viele unterstützen mit ihrer Berichterstattung das Morden sogar. In einem Maß, wie man es zuvor schlimmstenfalls von Staatsmedien unter Kontrolle despotischer Regime kannte, übernahmen auch viele deutsche Journalisten die tödliche israelische Propaganda und gaben so ihre eigenen Kollegen zum Abschuss frei.
Gazas Journalisten riefen von Beginn an um Hilfe – vergeblich
Schon der 7. Oktober 2023 gehörte zu den tödlichsten Tagen für Reporter in der jüngeren Geschichte. Bei Gefechten zwischen palästinensischen Kämpfern und der israelischen Armee starben an diesem Tag der Reporter der israelischen Tageszeitung Israel Hayom Yaniv Zohar, sowie die drei palästinensischen Fotografen und Reporter Ibrahim Mohammad Lafi, Mohammed Al-Salhi und Mohammad Jarghoun.
Außerdem verschwanden die beiden palästinensischen Fotojournalisten Haytham Abdel Wahed und Nidal al-Wahidi. Ihr Schicksal ist bis heute unbekannt. Für größere mediale Aufmerksamkeit sorgte keiner dieser Fälle. Verständlich an einem Tag, an dem sich die nachrichtlichen Ereignisse überschlugen.
In den Tagen darauf nahm Israels Armee den Gazastreifen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß unter Beschuss, tötete allein in der ersten Woche etwa 2.000 Menschen. Unter ihnen auch viele Journalisten – wie Muhammad Sobh, Hisham al-Nawajah und Said al-Taweel.
Die drei Reporter wollten am 9. Oktober 2023 in Gaza-Stadt über den von der IDF angekündigten Angriff auf ein Hochhaus berichten, als die Rakete unerwartet in ein Gebäude unmittelbar in ihrer Nähe einschlug und alle drei tötete. Am selben Tag trafen israelische Raketen das Wohnhaus der Journalistin Salam Mema. Die Freelancerin starb zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern unter den Trümmern.
Schon früh äußerten palästinensische Medienvertreter die Sorge, gezielt ins Visier der israelischen Armee zu geraten.
Israel begeht Morde an palästinensischen Journalisten – systematisch und durch eine offizielle Entscheidung des israelischen Besatzungregimes
Das schrieb die palästinensische Journalistengewerkschaft „Palestinian Journalist Syndicate“ bereits am 10. Oktober 2023. Sie rief Medien und die internationale Gemeinschaft auf, ihnen zu Hilfe zu kommen. Doch der Hilferuf verhallte in der westlichen Medienöffentlichkeit weitgehend ungehört.
Spätestens nach einer Woche war klar: Israel nimmt gezielt Journalisten unter Beschuss
Die Hinweise, dass Israel gezielt Jagd auf Journalisten macht, verdichteten sich am 13. Oktober 2023. In Gaza-Stadt bombardierte Israels Luftwaffe an diesem Tag die Redaktionsgebäude mehrerer palästinensischer Medien, darunter die Tageszeitung Al-Ayyam sowie das Büro der Nachrichtenagentur Ma’an. Einen Tag später gerieten erstmals Reporter internationaler Medien unter Beschuss.

Im Süden des Libanon starb der Reuters-Journalist Issam Abdallah. Sechs weitere Journalisten, darunter Mitarbeiter von Al Jazeera und der französischen Nachrichtenagentur AFP, wurden bei dem Granaten-Angriff verletzt. Der Fall war der erste, über den auch breit in westlichen Medien berichtet wurde – auch wenn es meist bei knappen Meldungen blieb.
Dabei wurde ein Schema deutlich, das von da an die gesamte Berichterstattung über getötete Journalisten in Gaza und im Libanon prägen wird: Wenn Medien berichten, dann orientieren sie sich dabei an den Angaben und Erzählungen des Angreifers, der israelischen Armee.
“Militär: Israelische Drohne greift Hisbollah-Ziele an”, lautete die Meldung der Tagesschau zum Angriff auf die Journalisten. Darunter hieß es: “Bei einem Feuergefecht an der Grenze waren auch ein Journalist getötet und weitere Reporter verletzt worden.” Diese von der Tagesschau-Redaktion als Tatsache präsentierte Version eines “Feuergefechts” stützte sich allein auf die Behauptungen der israelischen Armee, unabhängige Belege dafür gab es keine.
Im Gegenteil: Von Beginn an berichteten alle anwesenden Journalisten und Augenzeugen übereinstimmend, die israelische Armee habe mehrfach und offenbar gezielt das Feuer auf sie eröffnet – und das obwohl sie sich weit entfernt von jedem Kampfgeschehen befunden hätten und klar als Presse gekennzeichnet gewesen seien. In den Worten von einem der Überlebenden, dem AFP-Reporter Dylan Collins:
Einmal getroffen zu werden oder einmal zu feuern, könnte ein Fehler sein. Aber es waren zwei direkte Schüsse auf uns. Das kann man nicht als Fehler bezeichnen.
Sowohl die Nachrichtenagenturen Reuters und AFP als auch die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch sowie die UN-Beobachtermission UNIFIL stellten im Anschluss eigene Untersuchung an. Sie alle legten nahe: Die Journalisten waren offenbar gezielt unter Beschuss geraten. Die israelische Version, wonach die Reporter versehentlich zwischen die Fronten geraten seien, konnte nicht stimmen.
Spätestens mit der Tötung Issam Abdallahs am 18. Oktober 2023 lag der Verdacht also mehr als nah: Israel tötet vorsätzlich Journalisten. Spätestens jetzt wäre zu erwarten gewesen, dass auch Medienschaffende in Deutschland und anderen Ländern intensiv über dieses Kriegsverbrechen und die Tötung ihrer Kollegen berichten. Doch die Empörung über die offenbar gezielte Ermordnung eines Mitarbeiters einer der weltgrößten Nachrichtenagenturen blieb weitgehend aus.
Israel zerstörte das Büro einer der größten Nachrichtenagenturen der Welt
Noch größer blieb das westliche Desinteresse allerdings weiterhin, wenn Mitarbeiter palästinensischer oder anderer arabischer Medien unter Beschuss gerieten. Oft mehrmals täglich starben bei israelischen Angriffen im Oktober und November 2023 palästinensische Medienschaffende, ohne dass westliche Medien davon Notiz nehmen.
Einer der wenigen Ausnahmen in dieser Zeit war Said al-Tawil. Der 31-Jährige, der auch als Fixer für internationale Medien gearbeitet hatte, saß gerade beim Frühstück, als am 22. Oktober die Rakete einschlug, ihn tötete und seine Frau und sein Kind schwer verwundete. Die Washington Post berichtete später, Said al-Tawil habe zuvor noch in einer Nachricht an die Redaktion um Schutz für Journalisten in Gaza gebeten. Vergeblich.
Auch Medienbüros gerieten weiterhin ins Visier. Neben Gebäuden palästinensischer Medien wie dem Hamas-nahen TV-Sender Al-Aqsa traf es auch das Büro von Agence France-Presse (AFP). Am 2. November 2023 beschoss die israelische Armee ein Hochhaus in Gaza-Stadt, von dem aus die französische Nachrichtenagentur seit Beginn des Krieges per Livestream berichtet hatte. Das Büro einer der wichtigsten Nachrichtenagenturen der Welt wurde dabei in großen Teilen zerstört. Laut AFP hatte man die Armee zuvor mehrmals über den Standort informiert.
Schon nach einem Monat galt der Krieg als der für Journalisten tödlichste Konflikt des 21. Jahrhunderts
Die mangelnde Berichterstattung lag nicht daran, dass NGOs und palästinensische Journalistenvertretungen nicht von Beginn an versucht hätten, ihre westlichen Kollegen auf die beispiellosen Angriffe Israels auf Gazas Medienschaffende hinzuweisen. Im Gegenteil:
- Am 31. Oktober 2023 reichte Reporter ohne Grenzen erstmals Klage gegen Israel wegen möglicher Kriegsverbrechen gegen palästinensische Journalisten beim Internationalen Gerichtshof ein; viele weitere solcher Fälle sollten folgen.
- Am 9. November 2023 unterzeichneten über 1.300 Journalisten aus aller Welt eine Erklärung, in der sie Israels Angriffe und die fehlende Berichterstattung westlicher Medien verurteilten.
- Am 11. November 2023, also gerade einmal einen Monat nach Beginn der Gewalt, erklärte das Committee to Protect Journalists den Krieg in Gaza zum für Journalisten tödlichsten Konflikt des 21. Jahrhunderts. Insgesamt 40 tote Medienschaffende hatte die Organisation bis dahin dokumentiert.
Doch eine Berichterstattung, die auch nur annähernd an frühere Fälle getöteter Journalisten, etwa wie im Fall der russischen Journalistin Anna Politkowskaja, die 2006 in Moskau erschossen wurde und wochenlang für Schlagzeilen sorgte und auf Jahre das mediale Bild fehlender Pressefreiheit in Russland prägte, suchte man vergebens.

Ein dubioser Blogbeitrag bewirkte mehr Aufmerksamkeit als unzählige Berichte und Appelle renommierter NGOs
Das Desinteresse änderte sich schlagartig am 9. November 2023. Erstmals erhielten palästinensische Journalisten und ihre Arbeit in der westlichen Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit. Allerdings nicht von der Art, die ihnen eigentlich zusteht.
„Kooperieren Journalisten von AP und Reuters in Gaza mit der Hamas?“, hieß es an dem Tag bei der Süddeutschen. „Wussten Reporter vorab vom Hamas-Überfall?“, fragte die BILD am selbenTag. „Journalisten als Helfer des Terrors der Hamas?“, fragte einen Tag später die FAZ. „Terror-Komplizen? Die schweren Vorwürfe gegen Journalisten aus Gaza“, titelte die Welt am 13. November. „Haben westliche Medien Material von Fotografen veröffentlicht, die mit den Terroristen sympathisieren?“, fragte Die Zeit am 15. November. „Unfassbarer Verdacht: Die BILD fasste den Fall wie folgt zusammen:
Es ist ein Verdacht, der die Welt erschaudern lässt. Wussten Fotografen, die für renommierte Nachrichtenagenturen wie AP und Reuters sowie als freie Mitarbeiter für die ,New York Times‘ und den Nachrichtensender CNN arbeiten, VORAB von dem Massaker-Plan der Hamas, bei dem am 7. Oktober 1400 Israelis ermordet wurden? Wie eng sind die Verbindungen dieser Mitarbeiter zur Hamas? Und: Hatten die ,Reporter‘ Hinweise der Hamas-Terroristen? Gab es sogar Mitwisser in den Zentralen der Nachrichtenagenturen (AP, Reuters etc.)?
Grundlage für den schrecklichen Verdacht und die weltweite Berichterstattung: ein Beitrag auf einem bis dahin weitgehend unbekannten Internetblog. Auf der Seite „HonestReporting“, die laut Selbstdarstellung „anti-israelischen Bias in den Medien“ überwacht, spekulierte ein Beitrag am 8. November darüber, ob palästinensische Journalisten mit der Hamas unter einer Decke stecken:
Ist es vorstellbar, dass „Journalisten“ zufällig am frühen Morgen an der Grenze aufgetaucht sind, ohne sich vorher mit den Terroristen abgesprochen zu haben? Oder waren sie Teil des Plans?
Der Beitrag besteht ausschließlich aus Suggestionen und Mutmaßungen, liefert für seine Anschuldigungen keinen einzigen Beleg. Lediglich der Umstand, dass die Fotojournalisten früh und umfangreich von den verschiedenen Schauplätzen des 7. Oktober berichteten, macht sie in den Augen des Autors verdächtig.
Woran es dem Beitrag an Fakten und Glaubwürdigkeit mangelte, machte er durch die wichtigste Währung in der Nahost-Berichterstattung wieder wett: die Unterstützung offizieller israelischer Pressestellen. „Diese Journalisten waren Komplizen bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit; ihre Handlungen verstießen gegen die Berufsethik”, hieß es in einem Post auf dem X-Account des Büros von Premierminister Benjamin Netanjahu am 9. November.

Ein weiterer Post von Benny Gantz – zu der Zeit Minister ohne Geschäftsbereich in Israels Kriegskabinett – lautete: „Journalisten, die vom Massaker wussten und dennoch tatenlos zusahen, während Kinder abgeschlachtet wurden – sind nicht anders als Terroristen und sollten auch so behandelt werden.“
Ein paar unbelegte Anschuldigungen und die propagandistische Rückendeckung israelischer Politiker verschafften palästinensischen Journalisten eine Aufmerksamkeit, die sie durch renommierte Journalistenorganisationen mit gut dokumentierten Untersuchungen und nachdrücklichen Appellen zum Tod dutzender Medienschaffender nicht erreicht hatten.
Hamas-Verbindungen fanden sich nicht, getötet wurde trotzdem
Es überraschte dann auch wenig, dass sich die Anschuldigungen von “Honest Reporting” schnell in Luft auflösten. Untersuchungen von CNN, The New York Times, AP und Reuters kamen einhellig zu dem Ergebnis: An den Verdächtigungen ist nichts dran. Weder waren die Reporter besonders früh vor Ort, noch fanden sich andere Hinweise auf eine Beziehung zu den Kämpfern von Hamas oder anderen bewaffneten Gruppen. Das einzige “Beweisstück”, dass Heerscharen von Redakteuren westlicher Medien ausmachen konnten: ein fünf Jahre altes Foto des palästinensischen Reporters Reporter Hassan Eslaiah mit Hamas-Chef Yahya Sinwar.

Bis heute wird das Foto abgedruckt, wenn westliche Redakteure ein passendes Bild brauchen, um die Tötungen ihrer Kollegen durch die israelische Armee zu illustrieren. Dazu gehörte schließlich auch die Tötung von Hassan Eslaiah selbst. Am 7. April 2025 überlebte der Fotograf schwer verletzt einen Angriff auf ein Pressezelt nahe des Nasser-Krankenhauses. Sein Kollege Helmi al-Faqawi starb bei dem Angriff. Einen Monat später attackierte Israels Armee Eslaiah, der noch immer mit schweren Brandwunden im Nasser-Krankenhaus lag, erneut. Er starb am 13. Mai 2025 mit zehn weiteren Menschen. Die Meldung der Tagesschau an jenem Tag:
Bei einem israelischen Angriff auf eine Klinik im Gazastreifen sind mehrere Menschen getötet worden. Unter ihnen soll auch ein palästinensischer Fotograf sein, der laut Israel Bilder vom Hamas-Massaker verbreitet hatte.
Dass an den vermeintlichen „Enthüllungen“ von “Honest Reporting” weit weniger dran war, als von vielen Medien berichtet, gestand selbst der Autor des Textes ein. Man habe nur “Fragen aufgeworfen”, sagte der Chef von Honest Reporting Gil Hoffman im israelischen TV-Sender i24News schon am 9. November. Und weiter: „Wir haben keine Anschuldigung veröffentlicht, dass sie es wirklich wussten.“ Aber auch diese wichtige Ergänzung schaffte es kaum in deutsche Medien. Während die vermeintlichen „Hamas-Journalisten“ als Aufmacher auf Startseiten prangten, war das Dementi bestenfalls in hinteren Absätzen zu finden.
Die Kunst des Verschleierns trieb einmal mehr die Tagesschau-Redaktion auf die Spitze. Unter dem Titel „Was über die Vorwürfe gegen Fotoreporter bekannt ist“ erfuhr man am 13. November 2023 wenig Bekanntes. Stattdessen wurde umso mehr behauptet und ohne jeden Beleg in die Welt gesetzt, inklusive aller Spins von israelischen Regierungsmitgliedern, die wie Israels UN-Botschafter Danny Danon mittlerweile offen mit der Tötung der Journalisten drohten. Erst im 27. Absatz des Tagesschau-Textes fand sich die entscheidende Information. „Handfeste Beweise hat die Organisation [Honest Reporting] bis heute nicht vorgelegt“, erfuhr der winzige Teil der Leserschaft, der bis dahin noch nicht ausgestiegen war.
Journalisten auf Tour mit Kriegsverbrechern
Was in den meisten Medienbeiträgen jener Zeit ebenfalls nicht zu finden war: Reflexionen über die Sinnhaftigkeit der Anschuldigungen. Angenommen die Vorwürfe hätten zugetroffen und Reporter hätten Hamas-Kämpfer bei ihren Angriffen begleitet. Hätte sie nicht gerade das zu ganz normalen Kriegsreportern gemacht?
Natürlich berichten Kriegsreporter von Schauplätzen von Krieg, Terror und Gewalt und dokumentieren dabei oft grauenvolle Szenen. Natürlich koordinieren sie ihre Arbeit dabei auch mit den jeweiligen Kriegsparteien – nicht zuletzt zu ihrer eigenen Sicherheit. Einerseits faktisch von Kriegsparteien abhängig zu sein und dennoch die eigene journalistische Unabhängigkeit zu wahren – das ist die Kunst von Kriegsberichterstattung. Es gibt keine Hinweise darauf, dass den von “Honest Reporting” beschuldigten Fotoreportern dies nicht gelungen ist. Bei vielen ihrer westlichen Kollegen sieht das anders aus.
Unzählige westliche Reporter zeigten nach dem 7. Oktober tatsächlich eine bedenkliche Distanzlosigkeit zu Gewalttätern und Kriegsverbrechern. Nur nach Empörung über die Nähe auch deutscher Journalisten zur israelischen Armee sucht man vergebens. Ob von FAZ, Tagesschau oder BILD: Deutsche Reporter waren nicht nur bei Einsätzen mit der israelischen Armee dabei. Sie ließen anschließend auch noch die israelische Armee darüber entscheiden, welche Aufnahmen gesendet werden.

Als die Tagesschau am 9. November 2023 titelte „Netanjahu: Waren Pressefotografen mit Hamas-Terroristen unterwegs?“, sah man am selben Tag in den 20-Uhr-Nachrichten des Programms, wie der ARD-Reporter mit IDF-Soldaten im Gazastreifen unterwegs war. Auf einem israelischen Panzer fuhr der Reporter durch eine menschenleere Trümmerwüste. Die einzigen Personen, die zu Wort kamen: zwei israelische Soldaten: „Ich habe nichts gegen diese Leute. Ich glaube, es gibt hier welche, die könnten meine Freunde sein.“ Die Schuld an der Gewalt trage die Hamas.
Auch der Rest des Tagesschau-Beitrages unterschied sich kaum von einer Sendung im israelischen Armee-Radio. Die Armee habe es geschafft, strategisch wichtige Punkte in Gaza-Stadt einzunehmen. Die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung diene nur dazu, „dass das israelische Militär gegen die Hamas-Terrororganisationen hart vorgehen kann”, erklärte der Reporter aus der Luke eines israelischen Panzers heraus. Mehr Nähe zu einer Kriegspartei kann es kaum geben: weder physisch noch inhaltlich.
Der Fall der Tagesschau-Berichterstattung aus einem israelischen Panzer heraus ist mit jener palästinensischen Reporter allerdings nicht vergleichbar: Schließlich ist im Fall des ARD-Korrespondenten – anders als bei den vermeintlichen Hamas-Journalisten – zweifellos dokumentiert, dass er tatsächlich mit der israelischen Armee unterwegs war und sich im Anschluss sämtliches Videomaterial von der IDF freigeben lassen musste.
Letzteres wurde allerdings weder von ihm noch von der Moderatorin in der Sendung kenntlich gemacht – ein schwerwiegender Verstoß gegen journalistische Standards. Auf ähnliche Weise waren viele weitere westliche Journalisten mit Israels Armee unterwegs. Größere Empörung über diese Art von „Journalismus“ gibt es bis heute in Deutschland nicht.
Journalisten standen von nun an pauschal unter Terroroismus-Verdacht
Anders verhielt es sich mit ihren palästinensischen Kollegen. Spätestens seit der “Enthüllung” von “Honest Reporting” ist die Erzählung vom “Hamas-Journalisten” fester Bestandteil der westlichen Berichterstattung. Die unaufhörliche Kette von Tabubrüchen, die der Krieg in Gaza mit sich brachte, schlug ein neues Kapitel auf: Medienschaffende, die nach Völkerrecht und jedem journalistischen und moralischen Selbstverständnis niemals Ziel von Angriffen werden durften, standen nun pauschal unter Terrorismusverdacht.
Abseits medialen Interesses ging das tägliche Töten von Journalisten in Gaza weiter. Am 19. November 2023 tötete Israels Armee den Journalisten Belal Jadallah. Der auch als “Godfather of Palestinian Journalists“ bekannte Jadallah war der Gründer des „Press House“, ein renommiertes Medienzentrum in Gaza, das in Vorkriegszeiten als Anlaufpunkt und Ausbildungszentrum für Nachwuchsjournalisten in Gaza diente. Im Januar 2024 wurde das auch mit deutschen Geldern finanzierte “Press House” von der israelischen Armee vollständig zerstört.

Einen Tag nach Belal Jadallah starb die 27-jährige Journalistin Ayat Khadoura. Nur Tage zuvor hatte Khadoura ein Video auf Instagram mit dem Titel „Meine letzte Nachricht an die Welt“ veröffentlicht. Darin sagte sie: „Wir hatten sehr große Träume, aber leider ist unser Traum heute nur noch, dass wir, wenn wir getötet werden, in einem Stück getötet werden.“ Ayat Khadouras Traum wurde nicht wahr. Verwandte berichteten später, die israelische Rakete, die Ayat Khadoura traf, habe kaum etwas von ihrem Körper übrig gelassen.
So ging das in Gaza Tag für Tag: Israel tötet palästinensische Journalisten. Westliche Medien schweigen. Am 21. Dezember 2023 berichtete das Committee to Protect Journalists (CPJ):
Mehr Journalisten wurden in den ersten 10 Wochen des Israel-Gaza-Krieges getötet als jemals zuvor in einem einzelnen Land über ein ganzes Jahr hinweg.
Außerdem: „Über 75 Prozent aller im Jahr 2023 getöteten Journalisten starben im Gaza-Krieg.“ Es gebe ein “offensichtliches Muster der gezielten Tötung von Journalisten und ihren Familien durch das israelische Militär“. Doch gleich wie drastisch die Berichte von NGOs und Reportern von Ort auch sind, in die Schlagzeilen westlicher Medien schaffen sie es nur selten.
Als Journalisten zu Terroristen gemacht wurden
Es dauerte bis zum 7. Januar 2024 bis der Fall eines getöteten Journalisten erneut für größere Aufmerksamkeit sorgte. Mit einem gezielten Drohnenangriff tötete Israels Armee die Journalisten Hamza al-Dahdouh und Mustafa Thuria. Ein dritter Journalist, Hazem Rajab, wurde bei dem Angriff schwer verletzt.
Zwei Gründe führten dazu, dass der Angriff vom 7. Januar 2024 zu vergleichsweise viel Berichterstattung führte. Der erste: Hamza al-Dahdouh war der Sohn von Wael al-Dahdouh, des Büroleiters von Al-Jazeera in Gaza und wahrscheinlich der bekannteste Journalist im Gazastreifen überhaupt.

Wael al-Dahdouh war zu internationaler Bekanntheit gelangt, nachdem im Oktober 2023 bei einem israelischen Angriff seine Frau, zwei seiner Kinder, sowie eines seiner Enkelkinder ums Leben gekommen waren. Die Bilder, wie al-Dahdouh vor laufender Kamera vom Tod seiner Familie erfährt, ins Krankenhaus eilt und wenig später wieder vor der Kamera steht, gingen um die Welt. Für viele gilt Al-Dahdouh seither als Symbol des Leides aber auch der Widerstandsfähigkeit und Professionalität palästinensischer Journalisten.
Der zweite Grund für das ungewöhnlich hohe Interesse am Tod palästinensischer Journalisten: Israels Armee gab den Mord ganz offen zu. Anders als in den meisten anderen Fällen, bemühte sich Israels Armee nicht einmal, die Tötung von Hamza al-Dahdouh und Mustafa Thuria abzustreiten oder als unglückliches Versehen im Kriegsgewirr darzustellen. Stattdessen wählte sie eine Verteidigungsstrategie, der man in den kommenden Monaten immer wieder begegnen sollte: Die beiden Journalisten seien gar keine Journalisten, sondern Terroristen gewesen. Das gab die Israelische Armee via X am 8. Januar 2024 bekannt.

Journalisten als Staatsfeinde, Volksverräter oder eben Terroristen zu verleumden ist nichts Neues. Despotische Regime in aller Welt haben unter diesem Vorwand unzählige Male unbequeme Kritiker unter die Erde oder in den Kerker gebracht. Neu war in diesem Fall allerdings, wie viele Medien diese Verleumdungen kritiklos übernahmen. Die Meldung der Tagesschau über die gezielte Ermordung von zwei Journalisten am 9. Januar 2024: “Israels Armee: Getötete Journalisten waren im Auto eines Terroristen”.
Das Publikum des Deutschlandfunks erfuhr am selben Tag:
Geheimdienstinformationen hätten bestätigt, dass Hamza al-Dahdouh und Mustafa Abu Thurayya im Gazastreifen ansässigen Terrororganisationen angehört hätten. Vor dem tödlichen Luftangriff hätten die beiden Männer Drohnen bedient, die eine direkte Gefahr für israelische Soldaten dargestellt hätten, so die Armee.
Dass Al-Dahdouhs und Abu Thurayyas Familien, deren Arbeitgeber Al Jazeera sowie Reporterorganisationen die Anschuldigungen von Beginn an zurückwiesen, erfuhr man in den meisten Medienberichten, wenn überhaupt, nur in den hinteren Absätzen
Noch eine Sache begann die israelische Armee mit der Tötung von Al-Dahdouh und Abu Thurayya zu etablieren: die Praxis der schnell und schlecht fabrizierten „Beweise“. Al-Dahdouh habe eine führende Rolle in der „Elektronikeinheit“ des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) gespielt und sei der Kommandeur einer Raketenanlage gewesen, veröffentlichte die israelische Armee wenige Tage nach seiner Tötung auf X mitsamt eines Dokuments, das die Anschuldigungen beweisen sollte.
Doch aufmerksamen Lesern fielen schnell eine ganze Reihe von Unstimmigkeiten auf: So stimmten Datum und Wochentage auf dem Dokument nicht überein. Einige arabische Wörter wirkten, als stammten sie aus einem Übersetzungstool. Auch einige westliche Medien machten auf die Ungereimtheiten und die dilettantischen Manipulationsversuche der IDF aufmerksam. Doch in den meisten Fällen blieben die irreführenden und tödlichen Anschuldigungen ohne jede Einordnung stehen.
Die Strategie, getötete Journalisten mit schnell zusammenmontierten „Beweisen“ als Terroristen abzustempeln, war aus Sicht der IDF offenbar erfolgreich genug, dass sie sie fortan regelmäßig anwendete.
Am 13. Februar 2024 wurde bei einem Drohnenangriff der israelischen Armee in Rafah der Al-Jazeera-Korrespondent Ismail Abu Omar und sein Kameramann Ahmad Matar schwer verwundet. Wieder behauptete die Armee, bei Omar handele es sich in Wahrheit um einen Hamas-Kommandeur. Wieder wurden die Anschuldigungen von Kollegen, Arbeitgebern und Journalistenorganisationen zurückgewiesen. Die meisten deutschen Medien ignorierten den Fall. Lediglich in der kleinen als links geltenden Wochenzeitung Jungle World fand sich sein Name: „Im Februar entlarvten die Israelischen Streitkräfte Ismail Abu Omar, einen palästinensischen Reporter, der für Al Jazeera im Gazastreifen tätig war, als Hamas-Terroristen.“
Nicht alle Journalisten gaben ihre Kollegen zum Abschuss frei
Nicht alle deutschen Medienschaffenden schauten weg oder schrieben gedankenlos IDF-Meldungen ab, wenn ihre Kollegen zum Abschuss freigegeben werden. Kleinere linke Medien wie die „Junge Welt“ schafften es auch in der schnellen und agenturlastigen Nachrichtenberichterstattung über getötete Journalisten zu berichten, ohne irreführende Angaben der israelischen Regierung und Armee zu übernehmen.
Auch in größeren Medien gab es einzelne engagierte Redakteure, die es immer wieder schafften, Berichte oder Interviews über ihre verfolgten Kollegen zu platzieren oder palästinensische Reporter selbst zu Wort kommen zu lassen.
Im Juni 2024 initiierte das internationale Journalistennetzwerk Forbidden Stories das Rechercheprojekt „The Gaza Project“. 13 Medien aus aller Welt – darunter Der Spiegel und ZDF Frontal – recherchieren dort gemeinsam zur Tötung von Journalisten in Gaza und veröffentlichen gute und wertvolle Beiträge. Am 25. Juni 2024 berichtete Der Spiegel beispielsweise in einer langen Geschichte über die Tötung von Hamza Dahdouh und anderen getöteten Journalisten. Doch im Meer aus Ignoranz und abgeschriebener Pressemitteilungen blieben solche guten Beiträge nicht mehr als ein paar Tropfen.
Aus Fernsehsendern werden Terrororganisationen Teil 1
120 Journalisten – und damit zehn Prozent ihrer Mitglieder – habe Israels Armee getötet. Auch diese Mitteilung der Palästinensischen Journalistengewerkschaft Palestinian Journalists Syndicate (PJS) vom 12. Februar 2024 blieb in meisten deutschen Redaktionen unbeachtet.
Geht man die Liste der getöteten Journalisten in Gaza durch, fällt ein Medium besonders ins Auge: Al-Aqsa TV auf. Der palästinensische Fernsehsender, der – wenn er überhaupt in westlichen Medien thematisiert wird – meist als Hamas-Sender bezeichnet wird, hatte allein bis Ende 2023 mindestens acht getötete Mitarbeiter zu beklagen, viele von ihnen starben bei Angriffen auf ihre Privatwohnungen. Bis Juni 2024 zählte die NGO Arab Reporters for Investigative Journalism (ARIJ) sogar 23 getötete Mitarbeiter von Al-Aqsa-TV. Angesprochen auf die zahlreichen Toten erklärte ein IDF-Sprecher damals, man mache „keinen Unterschied“ zwischen Mitarbeitern des TV-Senders und bewaffneten Kämpfern. Ein anderer Sprecher nahm die Äußerung später wiederum zurück.
Was auch immer Sprecher der Israelischen Armee öffentlich bekannt gaben, ihre Taten sprachen eine eindeutige Sprache.
- Schon 2008, während des damaligen Gazakrieges, bombardierten israelische Flugzeuge das Hauptgebäude des Fernsehsenders in Gaza-Stadt und zerstörten es komplett.
- 2014 und 2018 trafen israelische Bomben erneut Büros des Senders.
- Am 6. März 2019 schließlich erklärte die israelische Regierung den Sender auch ganz offiziell zu einer Terrororganisation.
Ist er das? Der TV-Sender Al-Aqsa, wurde 2006 als Gegengewicht zur Fatah-nahen Palestinian Broadcasting Corporation ins Leben gerufen. In Nachrichtensendungen wird dort die Arbeit der Hamas-Regierung im Gazastreifen gepriesen und Kritik an der Palästinensischen Autonomiebehörde und der israelischen Besatzungspolitik geübt. Dazu gibt es Kultur und Kindersendungen – häufig mit religiösem Einschlag. Die Vorliebe des Senders zur Hamas-Regierung lässt sich kaum übersehen. Dies macht ihn aber längst nicht zu einer Terrororganisation. Eher zu einem gewöhnlichen arabischen Staatssender.

Aber ganz gleich wie problematisch das Programm von Al-Aqsa-TV auch sein mag: Nichts rechtfertigt die Ermordung von Fernsehmoderatorinnen, Reportern, Tonassistenten und Kamerafrauen. Der Schutz des Völkerrecht gilt für alle Journalisten, ganz gleich wie einseitig sie berichten.
Hinzu kommt: Israels Angriffe auf Al-Aqsa TV trafen nicht nur die Mitarbeiter des Senders. Sie trugen dazu bei, eine neue Erzählung zu etablieren: Die des Journalisten, der nicht deshalb als „Terrorist“ gilt, weil er mit einer Kalaschnikow in den Kampf zieht, sondern weil er für das „falsche“ Medium arbeitet.
Aus Fernsehsendern werden Terrororganisationen Teil 2
Das Vorgehen Israels gegen Al-Aqsa TV und seine Mitarbeiter war gewissermaßen erst der Probelauf für den Angriff auf einen viel größeren „Gegner“: den internationalen, aus Katar stammenden Fernsehsender Al-Jazeera. Wie kein anderer Sender informiert Al-Jazeera dank eines riesigen Korrespondentennetzes seit dem 7. Oktober unablässig über die Ereignisse in der Region. Immer wieder deckten Reporter dabei israelische Kriegsverbrechen auf, die sonst im Dunkeln geblieben wären.
Schon am 20. Oktober 2023 hatte Israels Regierung eine Verordnung erlassen, die es ermöglichen sollte, Al Jazeera abzuschalten. Israels Kommunikationsminister Shlomo Karhi erklärte damals:
Die Sendungen und Berichte von Al Jazeera stellen eine Aufwiegelung gegen Israel dar, unterstützen Hamas-ISIS und die Terrororganisationen mit ihrer Propaganda und ermutigen zur Gewalt gegen Israel.
Einige Wochen später legte Karhi noch einmal nach: „Dieser Sender hetzt gegen die Bürger Israels, er filmt unsere Truppen in Versammlungsgebieten außerhalb von Gaza. Er ist ein Propaganda-Sprachrohr.“ Belege für diese Anschuldigungen lieferte Karhi damals ebenso wenig wie die zahllosen anderen israelischen Politiker, die in den Wochen und Monaten darauf Al Jazeera mehr und mehr als Hamas-Propagandamedium labelten, das umgehend verboten werden müsse. Das hielt deutsche Medien allerdings nicht davon ab, die Erzählung vom „Hamas-Sender“ mit eigenen „Recherchen“ weiter zu stricken.
Schützenhilfe für die IDF
Einer dieser Beiträge erschien am 5. Februar 2024 auf Tagesschau.de. Schon die Überschrift des Beitrages ist ganz in Linie mit den Statements, die israelische Politiker regelmäßig zum Sender herausgeben: Katarischer Sender Al Jazeera. Schützenhilfe für die Hamas.“ Der Beitrag beginnt mit einem Ereignis, das die Redaktion offenbar für den unumstößlichen Beleg für die Nähe zwischen Hamas und Al-Jazeera hält:
Ende Januar tauchte ein seitenlanges Dokument der militant-islamistischen Hamas im Internet auf, in dem die Terrororganisation den Angriff am 7. Oktober auf Israel rechtfertigte. Die verübten Gräueltaten werden verschwiegen, stattdessen gibt es zahlreiche Anschuldigungen gegenüber Israel. Veröffentlicht wurde das Dokument vom Sender Al Jazeera – ohne Kontext oder sonstige Anmerkungen.
Bei dem geheimnisvollen Dokument, für das die Tagesschau offenbar weder Namen noch Veröffentlichungsdatum oder Seitenzahl in Erfahrung bringen konnte, handelt es sich um das 18-seitige PDF „Our Narrative… Operation Al-Aqsa Flood“. Veröffentlicht wurde es 21. Januar 2024 – anders als von der Tagesschau dargestellt – nicht von Al-Jazeera, sondern vom Hamas-Medienbüro über dessen Telegram-Kanal.
Unzählige Medien in aller Welt berichteten damals über das Papier, Al-Jazeera genauso wie die Jüdische Allgemeine in Deutschland. Verglichen mit vielen anderen Medien fiel die Berichterstattung von Al-Jazeera damals sogar recht dünn aus. Auf der Website des Senders erschien ein einziger kurzer Text, der das Dokument knapp zusammenfasste. Der Text ist weder kritisch, noch affirmativ, lieferte weder Fürsprache, noch Ablehnung. Er ist vor allem eins: unspektakulär.
Und selbst wenn sich die Redaktion in dem Beitrag die Sicht der Hamas zu eigen machen hätte: Reicht ein einziger Beitrag aus, um das Programm eines Senders zu bewerten, bei dem allein an diesem Tag hunderte Online-Beiträge und Stunden TV-Programm liefen? Und wenn ja, wie urteilen wir dann über die Tagesschau, in deren Nahost-Blog seit zwei Jahren täglich Pressemitteilungen der IDF und der israelischen Regierung wiedergegeben werden – oftmals ohne Kontext oder sonstige Anmerkungen?
Auch der restliche Teil des von der Redaktion des ARD-Faktenfinders verfassten Beitrags kommt weitgehend ohne Fakten aus. So wirft die Tagesschau Al-Jazeera vor, dem Hamas-Chef Ismail Haniyeh „eine Plattform für seine Propaganda“ gegeben zu haben. Dieser habe am 7. Oktober „Terroristen“ (Zitat Tagesschau, nicht Haniyeh) als „Helden“ (Zitat Haniyeh) bezeichnet, von einem „großen Erfolg“ gesprochen und zum „Widerstand“ aufgerufen.
Mit derselben Logik könnte man auch zahllose andere westliche Medien wie etwa die BBC als Hamas-Propaganda-Sender darstellen. Bei denen waren am am 7. Oktober ähnliche palästinensische Stimmen zu hören. Wichtiger noch: Warum misst sich die Tagesschau hier nicht an denselben Standards? Bis zur Veröffentlichung des Tagesschau-Beitrags konnte man in den 20-Uhr-Nachrichten der Tagesschau insgesamt 69 Auftritte israelischer Politiker und Militärs (gegenüber einem einzigen Auftritt eines palästinensischen Repräsentanten) erleben. Kein einziges Mal ernteten diese zudem Widerspruch oder Kritik durch die Moderatoren.
Gleichsetzen lassen sich Tageschau und Al-Jazaara auch in dieser Hinsicht nicht. Denn anders als in Deutschlands renommiertester Nachrichtensendung kommen beim “Propaganda-Sender” Al Jazeera regelmäßig palästinensische und israelische Stimmen zu Wort.

Auch bei der Expertenauswahl gibt die Tagesschau mehr Einblick in die eigene Voreingenommenheit als in die von Al-Jazeera. Die Redaktion hat nicht etwa eine Medienwissenschaftlerin um Rat gefragt, die empirische Untersuchungen zum Programm des Senders vorlegen könnte. Stattdessen kommt der Mitarbeiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemalige NATO-Ausbilder Andreas Jacobs zu Wort. Schon ein Blick in seine Publikationsliste verrät: Sein Fachgebiet ist nicht Medienkritik, sondern Kriegsführung und Terrorabwehr.
Wie Satire wirkt, wie die Tagesschau den Propaganda-Vorwurf gegenüber Al-Jazeera begründet. Die Autoren schreibe:
Die Grenze zwischen Nachrichtenberichterstattung und Propaganda ist hierbei jedoch fließend – die Nähe zur Terrororganisation Hamas ist gerade in der Nahostberichterstattung ein wichtiger Faktor, den es zu beachten gilt.
Der einzige Beleg, der darauf folgt, ist ein Zitat von Israels Minister für Information (man könnte auch sagen für Propaganda) Shlomo Karhi: „Dieser Sender hetzt gegen die Bürger Israels, er filmt unsere Truppen in Versammlungsgebieten außerhalb von Gaza. Er ist ein Propaganda-Sprachrohr“, zitiert die Redaktion Karhi- übrigens wieder ohne jeden Kontext oder sonstige Einordnungen, Zu den tödlichen Folgen, die Karhis Propaganda gegenüber Al-Jazeera für dessen Mitarbeiter in Gaza bis dahin bereits hatte, fehlt im Tagesschau-Beitrag jedes Wort.
What if I told you, dass Al-Jazeera gar keine Propaganda macht
Was man weder in diesem noch in den vielen anderen kritischen Beiträgen zu Al-Jazeera findet: fundierte Kritik. Dabei gäbe es davon jede Menge – insbesondere zur Qualität und zum Umfang der Berichterstattung von Al Jazeera nach dem 7. Oktober 2023. Nur kamen diese Untersuchungen durchgehend zu einem ganz anderen Ergebnis als die aus israelischen Pressemitteilungen, Polemiken und willkürlichen Fallbeispielen zusammengestückelten „Recherchen“ deutscher Medien.
Eine in der Fachzeitschrift Migration Letters veröffentlichte Untersuchung zu Sprache und Frames in der Nahost-Berichterstattung verglich die Berichterstattung von Al Jazeera mit der von BBC, France 24 und Voice of America. Das Fazit der Studienautoren:
Al Jazeera bot eine unparteiischere und ausgewogenere Berichterstattung über Israel und Palästina. BBC, France24 und VOA hingegen zeigten eine Tendenz, ihre Nachrichten so zu präsentieren, dass sie für Israel günstiger und für Palästina abfälliger waren.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Untersuchung, die u.a. die Sprache von Al-Jazeera und BBC verglich. Dem katarischen Sender bescheinigten die Forscher einen „ausgewogeneren Ansatz”. Schieflagen fanden sie hingegen bei der BBC: So fielen das Fehlen von Begriffen wie „war crimes“, „Genozid“ oder „ethnic cleansing“ in der Berichterstattung sowie ein klarer Fokus auf die israelischen Opfer des 7. Oktober und die israelischen Geiseln auf.
Eine weitere Untersuchung befasste sich mit der Darstellung von Gewalt Betroffener bei Al-Jazeera und BBC und verglich dazu die Darstellung palästinensischer und ukrainischer Zivilisten. Das Ergebnis: Bei der BBC würden ukrainische Zivilisten stärker humanisiert – etwa durch personalisierte Geschichten und emotionale Sprache –, während palästinensische Opfer weniger ausführlich oder empathisch dargestellt würden. Al Jazeera hingegen habe eine ausgewogenere Darstellung geboten.
Ein dunkler Tag für die Pressefreiheit
Für wissenschaftliche Erkenntnisse und sachliche Analysen zum Programm von Al-Jazeera interessierten sich israelische Politiker allerdings genauso wenig wie deutsche Redaktionen. Am 5. Mai 2024 beschloss die israelische Regierung, den katarischen Sender Al Jazeera in Israel zu schließen. Polizisten stürmten das Jerusalemer Büro des Senders, beschlagnahmten Unterlagen und Equipment. Die Webseiten des Senders in Israel wurden gesperrt.
Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) sprach von einem “äußerst alarmierenden Präzedenzfall für die Einschränkung der Arbeit internationaler Medien in Israel“. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte die Anordnung als „Angriff auf die Pressefreiheit“. Der Verband der Auslandspresse (FPA) in Israel erklärte: „Mit dieser Entscheidung reiht sich Israel in den zweifelhaften Club jener autoritären Regierungen ein, die Sender verbieten.”

Die Ermordung Ismail Al-Ghouls
Unterdessen ging die Tötung von Al-Jazeera-Korrespondenten und anderen Medienschaffenden in Gaza weiter. Am 31. Juli 2024 traf eine israelische Rakete das Auto des Al-Jazeera-Reporters Ismail Al-Ghoul, eines der bekanntesten Reporter Gazas, und seines Kameramanns Rami al-Rifi. Das Video des schwer beschädigten Fahrzeugs mit der Leiche von al-Ghoul verbreitete sich überall in der arabischen Welt. Darauf war klar zu sehen: Sowohl Westen von al-Ghoul und al-Rifi als auch das Auto waren deutlich mit der Aufschrift „PRESS“ gekennzeichnet.
Die israelische Armee, die in der Vergangenheit noch versuchte, solche Tötungen als unglückliche Versehen darzustellen, macht aus der gezielten Ermordung keinen Hehl mehr. Im Gegenteil: Ihr Tweet liest sich wie eine Erfolgsmeldung: „ELIMINIERT: Ismail al-Ghoul, Mitglied des Hamas-Militär-Flügels, Nukhba-Terrorist und Al-Jazeera-Journalist.“

Wieder verurteilten internationale Journalistenorganisationen sowie die UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit, Irene Khan, umgehend die Tötung und wiesen die israelischen Anschuldigungen zurück. Es nützte nichts. Die Meldung der Tagesschau zur Tötung Ismail Al-Ghoul: “Israel: Getöteter Journalist war Hamas-Kämpfer”. Im ersten Absatz hieß es weiter:
Bei dem im Gazastreifen getöteten Korrespondenten des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira, Ismail al-Ghoul, handelt es sich nach Angaben der israelischen Armee um einen Hamas-Kämpfer. Kampfjets hätten al-Ghoul, ein Mitglied des militärischen Flügels der Hamas, getroffen und getötet, teilte die Armee mit.
In anderen Medien war die Berichterstattung nicht weniger problematisch: Die Zeit titelte: „Israel bezeichnet getöteten Journalisten als Hamas-Kämpfer“ Die Welt berichtete die IDF-Behauptung gleich ganz als Tatsache: „Israel hat im Gaza-Streifen Hamas-Kämpfer ‚eliminiert‘“
Auch der weitere Ablauf glich dem früherer Angriffe. Wieder präsentierte die IDF schnell ein Dokument, das den für Millionen TV-Zuschauer als mutigen Reporter bekannten Al-Ghoul zu einem Hamas-Kämpfer machte. Wieder fielen aufmerksamen Beobachtern schnell Ungereimtheiten auf. So sollte Al-Ghoul seit Juli 2007 Hamas-Kämpfer gewesen sein – zu diesem Zeitpunkt war er aber gerade einmal zehn Jahre alt.
Auch das frühere Verhalten der IDF selbst gegenüber Ismail Al-Ghoul passte wenig zum Umgang mit realen Kämpfern. So wurde Al-Ghoul am 18. März 2024 im Rahmen seiner Berichterstattung über Israels Zerstörung der Al-Shifa-Klinik von IDF-Soldaten verhaftet – und kurz darauf wieder freigelassen. Ein eher unübliches Verhalten gegenüber Hamas-Kämpfern.
Die sehr viel wahrscheinlichere Erklärung für Israels Angriff lautete auch diesmal: Al-Ghoul wurde nicht obwohl, sondern weil er Journalist war zum Ziel. In vielen Fällen war der 27-jährige der erste und oftmals der einzige Reporter, der über israelische Kriegsverbrechen berichtete. So berichtete er unter anderem umfassend über die Angriffe auf die Schifa-Klinik, war der erste Journalist am Schauplatz des Mehl-Massakers und der Tötung der fünfjährigen Hind Rajabs.
Gewissermaßen gab Israels Armee sogar selbst zu, al-Ghoul aufgrund seiner Berichterstattung ermordet zu haben. In einem weiteren IDF-Post hieß es, Al-Ghoul sei “aktiv an der Aufzeichnung und Veröffentlichung von Angriffen gegen IDF-Truppen beteiligt gewesen.” Das “Verbrechen”, das die IDF hier beschreibt ist kein Terrorismus, sondern Journalismus.
“Wenn du nicht aufhörst zu berichten, bist du als nächster dran”
Journalisten geraten nicht ins Visier wegen eines vermeintlichen Doppellebens als Kämpfer einer bewaffneten Miliz. Sie geraten ins Visier, weil sie Journalisten sind. Das machte Israel selbst oft genug deutlich – auch gegenüber den betroffenen Journalisten selbst. Immer wieder berichteten palästinensische Journalisten über Drohanrufe und Drohnachrichten israelischer Militärs oder Geheimdienstmitarbeiter, die sie aufforderten ihre journalistische Arbeit einzustellen und bei Zuwiderhandlung offen mit Mord drohten. Einer dieser Fälle ist der von Hassan Hamad.
Über Monate hatte der 18-jährige Reporter, der unter anderem für Al-Jazeera tätig war, immer wieder Drohnachrichten erhalten. Zum Beispiel diese:
Hör zu, wenn du weiterhin Lügen über Israel verbreitest, werden wir als Nächstes zu dir kommen und deine Familie… Das ist deine letzte Warnung.
Hassan Hamad starb am 6. Oktober 2024, als eine israelische Artilleriegranate in sein Wohnhaus einschlug. Auch die mehrfach angekündigte Ermordung des fast noch jugendlichen Reporters blieb in den meisten deutschen Medien unerwähnt.
Journalisten erster und zweiter Klasse
Nicht nur in Gaza machte Israel Jagd auf Journalisten. In dem Maße, indem die israelische Armee ihre Angriffe im September und Oktober 2024 auf den Libanon ausweitete, gerieten auch dort Medienschaffende ins Visier. In der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober traf eine israelische Rakete in der libanesischen Stadt Hasbaya ein von Journalisten genutztes Gasthaus.
Von den 18 anwesenden Vertretern lokaler und internationaler Medien, darunter Sky News Arabia, Al-Jazeera, Al Arabiya und der türkische Sender TRT World, überlebten fünf den Angriff nicht. Aufnahmen von Überlebenden zeigten ein zerstörtes Fahrzeug mit der Aufschrift “Presse”. Zwischen den Trümmern des zerstörten Gebäudes lagen Presse-Helme, Schutzwesten und zerbrochene Kameras.

Wie im Fall der Tötungen von Journalisten in Gaza behauptete die israelische Armee auch hier, der Angriff habe Terroristen gegolten. Wie im Fall der Tötungen von Journalisten in Gaza wurde dieser Vorwurf schnell durch unabhängige Untersuchungen widerlegt, unter anderem durch den Guardian und Human Rights Watch. Das Statement von Reporter ohne Grenzen damals:
Dieser jüngste israelische Angriff auf ein Gebäude, das bekanntermaßen Journalisten beherbergte, ist ein Skandal. Die Beweise, die uns vorliegen, deuten darauf hin, dass es sich wahrscheinlich um einen gezielten Angriff auf Medienschaffende handelte, was ein Kriegsverbrechen darstellt.
Ganz anders klang die Berichterstattung einmal mehr in einigen deutschen Medien. In der FAZ erfuhr man gleich zu Beginn des Textes, einer der Getöteten habe für „den Haussender der aus Teheran gelenkten Hizbullah“ gearbeitet, „die inzwischen in einen offenen Krieg gegen Israel verstrickt ist“. Auch wenn hier nicht einszueins die israelische Erzählung von den als Journalisten verkleideten Terroristen übernommen wurde, war die Botschaft doch klar: Es gibt Journalisten, deren Tod dann doch nicht ganz so schlimm ist.
Hamas, Islamischer Jihad oder Journalist? Hauptsache Terrorist!
Nicht nur Israel ging immer ungehemmter gegen Medienschaffende vor. Auch die Berichterstattung vieler deutscher Medien sank von einem Tief ins nächste. Hatten in den ersten Monaten der Berichterstattung Medien zumindest meist kenntlich gemacht, wenn sie Behauptungen aus dem israelischen PR-Apparat übernahmen, traf man später immer häufiger auf Schlagzeilen, die auch beim besten Willen nicht mehr von Einträgen im IDF-Telegram-Kanal zu unterscheiden waren. Den vielleicht größten journalistischen Totalausfall leistete sich einmal mehr die Tagesschau-Redaktion.
In der Nacht auf den des 26. Dezember 2024 hatte Israels Armee die fünf in ihrem Übertragungswagen schlafenden palästinensischen Journalisten Faisal Abu al-Qumsan, Ayman al-Jadi, Ibrahim al-Sheikh Khalil, Fadi Hassouna und Mohammed al-Lada’a. Die Bilder des brennenden Transporters, auf dem klar “Presse” zu lesen war, gingen um die Welt.
Auch auf der Website der Tagesschau war das Bild groß als Aufmacher auf der Nahost-Seite zu sehen. Doch was die Redaktion darunter als Schlagzeile formulierte, hätte in jedem funktionierenden Mediensystem branchenweite Empörung und personelle Konsequenzen zur Folge haben müssen: „Israel greift Hamas-Kämpfer an“, lautete die Schlagzeile zur Ermordung von fünf Journalisten in Gaza. Ohne Konjunktiv, Anführungszeichen oder „nach israelischen Angaben“. Einfach als tödliche Tatsache.
Dass Deutschlands renommiertestes und mit öffentlichen Geldern finanziertes Nachrichtenformat hier nicht nur die tödliche Propaganda einer Kriegspartei übernimmt, sondern sie auch noch als Tatsache präsentiert, schien – bis auf ein paar engagierte Einzelpersonen in sozialen Medien – in Deutschland kaum jemanden zu stören.
Wie auch? In vielen anderen Redaktionen waren die Probleme doch ähnlich. „Israels Armee: Fünf Terroristen in Gaza-Stadt getötet“, meldete ZDF heute. Die Zeit berichtete: „Israel meldet Schlag gegen die Hamas in Gaza-Stadt.“ Und die Welt titelte: „Israel greift Hamas-Kämpfer in Gaza an.“ Immerhin: Als Israel später seine ursprünglichen Behauptungen korrigierte, passten viele Medien ihre Berichterstattung an. “Kämpfer des Islamischen Jihad getötet”, hieß es nun.
Wenig überraschend blieb Israels Armee auch diesmal die Beweise für ihre Vorwürfe schuldig. Stattdessen setzte sie auf eine altbewährte Erzählung. Die Reporter hätten für den TV-Sender Al-Quds Al-Youm gearbeitet und der stünde dem Palästinensischen Islamischen Jihad nahe. Auch in diesem Fall sieht das Völkerrecht nicht die Ermordung von schlafenden Kameraleuten in einem mit Presse gekennzeichneten Übertragungswagen vor. Das hinderte deutsche Redaktion freilich nicht daran, Israels Erzählung kritiklos zu übernehmen.

In der deutschen Medienlandschaft fehlt ein (linkes) Korrektiv
Am Fall der vier getöteten Al-Quds Al-Youm-Reporter lässt sich eine weitere Besonderheit deutscher Nahost-Berichterstattung illustrieren: Sie ist so schlecht wie in kaum einem anderen westlichen Land. Auch bei BBC, CNN und vielen anderen westlichen Medien dominieren israelische Angaben und Erzählungen, aber nirgends schaffen es selbst die abstrusesten israelischen Anschuldigungen so zuverlässig in die Schlagzeilen wie in deutschen Redaktionen.
New York Times, CNN, NPR, Newsweek, BBC, Reuters, The Guardian, Haaretz – sie alle berichteten über den Angriff vom 26. Dezember 2024. Sie alle nannten das Kind beim Namen, wie hier The Guardian: „Fünf palästinensische Journalisten bei israelischem Angriff auf Transporter in Gaza getötet“. Keines dieser Medien kam auf die irrwitzige Idee, die Propaganda des Angreifer in die Überschrift zu stellen, schon gar nicht als Tatsache.
Während es in anderen westlichen Ländern, etwa mit britischen Guardian, der israelischen Haaretz oder dem US-amerikanischen Democracy Now, zumindest einige linke oder linksliberale Medien immer wieder schaffen, der großen bürgerlichen Flut an Desinformation eine journalistisch ausgewogenere Erzählung entgegenzusetzen, fehlt ein solches Korrektiv in Deutschland.
Die taz, die als vermeintliche Publikation einer linken Gegenöffentlichkeit mit Blick auf Selbstverständnis und Reichweite dafür am ehesten prädestiniert wäre, scheitert in dieser Rolle leider völlig und ist allzu oft selbst Teil des Problems.

Einer der problematischsten Texte zur Situation von Journalisten in Gaza erschien nicht etwa im rechten Boulevard-Schmuddelblatt BILD, noch in der auf Regierungsverlautbarungen spezialisierten Tagesschau, sondern in der „linken“ taz. Am 9. Januar 2025 titelte diese: „Wenn Journalisten auch Terroristen sein können“. Dass der Beitrag wenig später zu „Können Journalisten Terroristen sein?“ umbenannt wurde, machte die Sache nicht viel besser.
Schon mit Überschrift und Teaser machte sich der Autor der die Erzählung der israelischen Armee zu eigen, wonach zumindest ein Teil der massenhaften Tötung von Medienschaffenden in Gaza damit zu begründen sei, dass diese eben so schwer von „Terroristen“ zu unterscheiden seien.
Gaza ist ein Friedhof für Journalisten. Doch Israel behauptet immer wieder, eigentlich Terroristen zu treffen. Die Unterscheidung ist manchmal schwer.
Tatsächlich ist die Unterscheidung alles andere als schwer: In keinem einzigen der 147 bis dahin vom Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) dokumentierten Fälle gab es auch nur halbwegs handfeste Hinweise, dass der Getötete Teil einer bewaffneten Gruppe war oder selbst in Kampfhandlungen involviert gewesen wäre – der einzige Grund, in dem das Völkerrecht Gewaltanwendungen legitimieren würde.
Mit dieser einfachen Feststellung hätte der taz-Text auch schon wieder zu Ende sein können. Stattdessen wählte der Autor einen anderen Weg: die Orientierung an den unbelegten Behauptungen und Erzählungen der israelischen Armee.
Offenbar als schlagender Beweis für die These von der schweren Unterscheidbarkeit von Journalisten und Terroristen gelten dem Autor die vier Al-Quds Al-Youm-TV-Reporter, die rund zwei Wochen zuvor schlafend in ihrem Übertragungswagen ermordet wurden. An mehreren Stellen des Textes erfährt man noch einmal ausführlich die Anschuldigungen der israelischen Armee. Welche Position sich der taz-Autor zu eigen macht, erfährt man spätestens dann, wenn er im weiteren Text die vier Journalisten nicht als Journalisten, sondern entgegen jeder Faktenlage selbst als „mutmaßliche Terroristen“ und „mutmaßliche PIJ-Mitglieder“ bezeichnet.
Als die taz einen der schlimmsten Verleumder palästinensischer Journalisten zum Experten für palästinensische Journalisten machte
Damit hat sich der Abgrund an Irreführung aber gerade erst geöffnet. Scheinbar in der Rolle des Experten und als palästinensische Gegenperspektive zur israelischen Armee präsentiert die taz Ahmed Fouad Alkhatib, einen „politischen Analysten und aktuell Senior Fellow beim Atlantic Council in Washington“ – so erfährt man im Text – dessen „Familie aus Gaza kommt“. Was man nicht erfährt: Ahmed Fouad Alkhatib ist – vorsichtig gesagt – nicht unbedingt der typische Palästinenser und schon gar kein Experte.
Seit dem 7. Oktober taucht Alkhatib vor allem in rechtskonservativen Medien und als Redner bei pro-israelischen Lobbyorganisationen in der Rolle des geläuterten palästinensischen „Hamas-Kritikers“ auf. Folgt man Alkhatib auf X, erfährt man schnell, was für ihn alles unter „Hamas“ zählt: humanitäre Hilfsorganisationen, protestierende Studenten an US-Unis oder eben auch palästinensische Journalisten.

Nur zwei Wochen bevor ihn die taz als Fachmann zur Verfolgung von palästinensischen Journalisten in Gaza zu Rate zieht, präsentierte Alkhatib auf X diese Einschätzung zur Arbeit palästinensischer Journalisten im Westjordanland:
Offen pro-Hamas agierende Fake-”Journalisten” können sich nicht hinter Al-Jazeeras vermeintlicher journalistischer Fassade verstecken, um buchstäblichen Terrorismus zu fördern. (…) Es ist an der Zeit, katarisch gesponsorte Propaganda und pro-islamistische Terror-Botschaften in den palästinensischen Gebieten und in der gesamten arabischen Welt zu verbannen (…) Es ist an der Zeit, dass Fake-Journalisten die Konsequenzen ihrer Desinformation und aufwieglerischen Rhetorik tragen.
Einige Wochen später wurde Alkhatib noch deutlicher:
Al-Jazeeras Fake-’Journalisten‘ und Söldner arbeiten auf Hochtouren, um ihren islamistischen Oberherren zu dienen und die Hamas vor dem Zusammenbruch zu retten! Vergesst niemals, dass Al-Jazeera die Medienabteilung der Hamas ist; Al-Jazeera = Hamas.
In der taz lieferte Alkhatib dann auch wie bestellt: Viele Journalisten würden “den Widerstand und die Hamas offen unterstützen.“, erklärt er. Kämpfer der Hamas und des Palästinensischen Jihad “würden auch Doppelleben führen, als Bauarbeiter, Lehrer oder eben Journalisten.” Belege für die Behauptung lieferten weder Alkhatib, noch die taz. Auch was AlKhatib überhaupt dazu befähigt, sich zur Situation palästinensischer Journalisten zu äußern, verriet die taz nicht. Dafür überließ sie ihm das Schlusswort:
“Eines ist klar“, sagt Alkhatib. „Es gab tatsächlich legitime Journalisten, die getötet worden sind, und es gab Journalisten mit sehr fragwürdigen Verbindungen, die ebenfalls getötet worden sind.
Wirklich klar ist nach dem Text nur eines: Mit unkritisch übernommenen Behauptungen der israelischen Armee, tendentiöser “Experten”auswahl und ein paar Andeutungnen und Plattitüden stellt die taz Gazas Journalisten unter Terrorismus-Generalverdacht und trägt dadurch zu deren Ermordung bei.
Man mag einwenden, dass in der taz auch ab und zu gute Beiträge zu dem Thema erscheinen, nicht ein Autor die ganze taz repräsentiert. Das stimmt. Das tut, wenn dann, die Chefredakteurin. Drei Monate und weitere acht getötete Journalisten später saß taz-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann am 11. April 2025 auf dem Podium einer Veranstaltung von Reporter ohne Grenzen, um dort über die Gefährdung von Journalisten zu sprechen.
Von einem Zuschauer danach gefragt, wie der viel kritisierte Artikel mit dem Eintreten der taz für Pressefreiheit in Einklang zu bringen sei, erklärte Winkelmann: „Der Vorwurf lautet ja von israelischer Seite, dass sich Journalisten tarnen, die insgeheim zur Hamas gehören. Und ich würde sagen, das sollten wir für immerhin denkbar halten.“ Zur nicht nur denkbaren, sondern sehr realen Tötung von Journalisten, mit denen die taz mit solchen Diffamierungen beiträgt, sagte sie nichts.
Der letzte Journalist Nordgazas
Auch der von der taz ausgewählte Experte für die Verfolgung palästinensischer Journalisten in Gaza machte bald wieder von sich reden. Am 10. Februar 2025 tweetete Ahmed Fouad Alkhatib:
Sie versuchten, eine Drohne über den ägyptischen und amerikanischen Streitkräften nach dem Abzug der israelischen Truppen aufzustellen, um Aufnahmen zu machen, aber sie sammelten wahrscheinlich Informationen und erkundeten das Gebiet für die Hamas.
Wen Alkhatib hier mit einer völlig erfundenen Geschichte über Hamas-Verbindungen in Lebensgefahr brachte, war der Al-Jazeera-Journalist Anas Al-Sharif, einer der bekanntesten palästinensischen Reporter jener Zeit und einer der letzten verbliebenen Reporter im nördlichen Gazastreifen.
Von westlichen Medien weitgehend unbeachtet, war der 29-Jährige seit Monaten Ziel von Morddrohungen und Verleumdungskampagnen durch die israelische Armee. Schon am 9. Oktober 2024 entging er nur knapp der Ermordung durch die israelische Armee. Seinem Kameramann Fadi al-Wahidi wurde dabei in den Nacken geschossen, er ist seitdem querschnittsgelähmt.
Infolge des Angriffs veröffentlichte die israelische Armee eine ihrer berühmt-berüchtigten Social-Media-Grafiken, auf der sie Anas Al-Sharif und fünf weitere Journalisten zu Kämpfern der Hamas erklärt – ein Vorwurf, der sofort von Kollegen und Journalistenvertretungen zurückgewiesen wird.
In den folgenden Monaten wurden die Verleumdungen auf den PR-Kanälen von Israels Armee, Regierung und Geheimdiensten immer häufiger. Immer wieder berichtete Anas Al-Sharif über Morddrohungen per Anruf oder Kurznachricht. Mehrmals warnten Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Journalistenvertretungen, darunter Amnesty International, das Komitee zum Schutz von Journalisten, Reporter ohne Grenzen und die UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit Irene Khan, Al-Sharif befände sich in unmittelbarer Lebensgefahr, und forderten die internationale Gemeinschaft auf einzuschreiten.
Die Hilferufe von Khan und vielen anderen blieben unerhört. Weder schritten Israels Verbündete ein, noch schenkten die meisten westlichen Journalisten der angekündigten Ermordung eines Journalisten viel Aufmerksamkeit. Anas Al-Sharif starb am 10. August 2025, als eine israelische Rakete in ein Pressezelt im Hof des Al-Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt einschlug. Mit ihm tötete Israels Armee den Reporter Mohammed Qreiqeh, die Kameramänner Ibrahim Zaher und Moamen Aliwa sowie den Kamera-Assistenten Mohammed Noufal. Mit einem Angriff ermordete Israels Armee das gesamte Team von Al-Jazeera in Gaza-Stadt.
Was nun folgte, ist wahrscheinlich der moralische und journalistische Tiefpunkt in der Berichterstattung deutscher Medien über ihre ermordeten Kollegen in Gaza. Nach fast zwei Jahren systematischer Tötung palästinensischer Journalisten, über 200 getöteten Medienschaffenden und unzähligen Terror-Vorwürfen, die sich einer nach dem anderen in Luft auflösten, präsentieren die meisten deutschen Medien einmal mehr prominent die Version der israelischen Armee, wonach es sich bei Anas Al-Sharif und seine ermordeten Kollegen um Hamas-Kämpfer gehandelt haben soll.

„Als Terrorist getarnter Journalist in Gaza getötet“, lautete die Schlagzeile auf Bild.de, daneben ein Foto von Anas Al-Sharif. Terrorist mit Presse-Weste“, schrieb die staatlich finanzierte Jüdische Allgemeine. „Al-Dschasira-Reporter in Gaza getötet – Israel: Terrorist“, lautete die Meldung der dpa, die dutzende Medien abschrieben.
Nicht in allen Berichten schaffte es die IDF-Version in die Überschrift, aber fast überall wurde sie prominent platziert, meist gleich zu Beginn des Beitrags, wie hier in einer Agenturmeldung, die von der taz, der Süddeutschen und Dutzenden weiterer Medien abgedruckt wurde:
Bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen sind am Sonntag mehrere palästinensische Journalisten getötet worden. Das israelische Militär teilte mit, Ziel des Angriffs in Gaza-Stadt sei ein Anführer der radikal-islamischen Hamas gewesen, der sich als Journalist des Senders Al-Jazeera ausgegeben habe. Anas Al Sharif sei der Leiter einer Hamas-Zelle und für Raketenangriffe auf israelische Zivilisten und Soldaten verantwortlich gewesen, hieß es in einer Erklärung der Armee unter Berufung auf Geheimdienstinformationen.
Wer sind hier die Propagandisten?
Wer dachte, deutsche Journalisten hätten nach fast zwei Jahren systematischer Ermordung von Journalist ihre Kollegialität, Professionalität oder ihr Gewissen entdeckt, wurde schwer enttäuscht. In den nächsten Tagen prägte eine nur allzu bekannte Erzählung die deutsche Berichterstattung: die von der schwierigen Unterscheidbarkeit zwischen Journalisten und Terroristen in Gaza, davon, dass nun auch im Fall von Anas Al-Sharif Aussage gegen Aussage stünde. Nur, dass es sich bei der einen Aussage um die durch nichts belegte und seit Monaten immer wieder widerlegte Behauptung der Mörder handelte – und bei der anderen Aussage um die durch Arbeitgeber, Kollegen, Familie, NGOs, internationale Organisationen und nicht zuletzt Millionen Fernsehzuschauer belegte Realität.
„Journalist oder Terrorist? Der heikle Fall Anas al-Sharif“, hieß es in der Welt. „Der Sender preist seinen Mitarbeiter, das Auswärtige Amt will Auskunft, Israel sagt, der Mann war Hamas-Terrorist. Wem glauben wir?“, fragte die FAZ.
Dutzende Medien begannen nun zu recherchieren und sorgten dafür, dass palästinensische Journalisten so viel Aufmerksamkeit bekamen wie lange nicht. Nur galten die Recherchen auch diesmal nicht den Hintergründen, dem Ausmaß und den Folgen der Angriffe Israels auf Gazas Medienschaffende. Sie galten den vermeintlichen Hamas-Verbindungen von Anas Al-Sharif. Einen Fund präsentierte der „Faktenfinder“ der Tagesschau am 13. August 2024 seinem Publikum: „Er benutzte häufig grüne Herz-Emojis im Zusammenhang mit Beiträgen über die Terrororganisation (Grün ist die Farbe der Hamas).“
Nach fast zwei Jahren systematischer Ermordung palästinensischer Journalisten lag die Schwelle, ab der deutsche Journalisten den Mord ihrer palästinensischen Kollegen rechtfertigten, nun bei ein paar Herzchen in einer Messenger-App.

Gazas Hamas-Journalisten sind eine israelische PR-Erfindung
Wie echte Faktenfinder arbeiten, konnte Deutschlands Aushängeschild des Nachrichtenjournalismus zwei Tage später im kleinen israelischen Online-Magazin +972 mitverfolgen. Auch dort erschien eine Recherche zu den Hamas-Vorwürfen rund um die Tötung von Journalisten in Gaza. Nur versuchte der für seine investigativen Recherchen bekannte Journalist und Regisseur Yuval Abraham die massenhafte Tötung seiner palästinensischen Kollegen nicht mit Farbanalysen von Emoticons zu erklären. Er entschied sich für investigative Recherchen innerhalb der israelischen Armee.
Demnach betreibt Israels Armee eine eigene Abteilung, um palästinensische Reporter öffentlich zu diskreditieren und Informationen zu beschaffen, mit denen sich deren Ermordung rechtfertigen lässt – verzerrte und falsche Informationen eingeschlossen. Bei dieser „Legitimization Cell“ genannten Einheit gehe es nicht um die Abwehr realer Bedrohungen. Die Motivation der Einheit sei vielmehr, das öffentliche Image Israels zu verbessern und sich dem Ärger über Gazas Reporter Luft zu machen, die – so einer der Informanten – „Israels Namen vor der Welt in den Schmutz ziehen“.
Die Geschichte von Gazas Hamas-Journalisten: Produkt einer israelischen Propagandaabteilung.
Die Antwort auf die Frage “Können Journalisten Terroristen sein?“: Ja, aber nur, weil Israel sie dazu gemacht hat. Und viele deutsche Medien machten mit.
Zu den letzten Worten Anas Al Sharifs, die am 15. August 2025 auf dem X-Account des Journalisten erschienen: gehörten auch folgende Zeilen:
Ich habe Schmerz in all seinen Facetten durchlebt, Leid und Verlust viele Male gekostet, doch ich habe niemals gezögert, die Wahrheit unverfälscht und ohne Verzerrung zu übermitteln.
Auf viele seiner deutschen Kollegen trifft das leider nicht zu.
Dieser Text hat echt viel Arbeit gemacht und es gibt noch viel mehr an deutscher Nahost-Berichterstattung zu kritisieren. Damit ich mir zukünftig noch mehr Zeit für solche Kritik und Analysen nehmen kann, würde ich ich mich freuen, wenn ihr diesen Blog finanziell unterstützt: einmalig via PayPal oder regelmäßig per Steady. Vielen Dank!
Nachtrag: Vier Wochen sind zwischen der Tötung von Anas Al-Sharif und der Veröffentlichung dieses Beitrages vergangen. In dieser Zeit hat Israels Armee sieben weitere Journalisten getötet.