Warum Flüchtlinge die besseren Demokraten sind

Sie ist ein Evergreen deutscher Desintegrationsdebatten: Die Aufforderung an Flüchtlinge, sich zur Demokratie zu bekennen. (wahlweise auch an Muslime, Migranten oder wer sonst gerade nicht in das Konstrukt einer deutschen Einheitskultur passt). Der Subtext solcher Forderungen: Flüchtlinge hätten per se ein Problem mit freiheitlichen Werten und unterschieden sich dadurch von jenen Deutschen, denen das Demokratie-Bekenntnis ins nicht-migrantische Blut gelegt sei.

Eine Studie räumt nun auf mit dem Klischee vom deutschen Alleinvertretungsanspruch auf demokratische Werte: Gemeinsam mit dem Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat das Bundesamt für Migration für Flüchtlinge rund 2.300 Asylsuchenden einen Katalog mit rund 450 Fragen vorgelegt, darunter integrationspolitische Gassenhauer wie: Wie steht ihr zur Demokratie? Wollt ihr freie Wahlen? Und wie haltet ihr es mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau?

In fast allen Disziplinen gewinnen die vermeintlichen Demokratie-Neulinge

Dieselben Fragen hatten Forscher im Jahr 2014 im „World Values Survey“ gestellt, um politische Einstellungen weltweit zu untersuchen. Vergleicht man nun die Ergebnisse beider Studien, bleibt nicht viel übrig vom Mythos, Deutsche seien Flüchtlingen in Fragen demokratischer Bekenntnisse überlegen.

Am besten schneiden die Deutschen noch bei der Frage nach der Gleichberechtigung von Mann und Frau ab: Mit 92 Prozent Zustimmungsrate liegen sie hier mit Flüchtlingen gleich auf. Bei fast allen anderen Fragen werden sie von den vermeintlichen Demokratie-Neulingen hingegen geschlagen: 96 Prozent der Flüchtlinge sprechen sich für freie Wahlen aus. Bei ihren deutschen Mitbürgern sind es vier Prozent weniger (92 Prozent).

besseredemokraten

Noch deutlicher ist der Unterschied bei der Frage danach, ob Bürgerrechte den Einzelnen vor dem Staat schützen sollten: 93 Prozent der Flüchtlinge, aber nur 83 Prozent der Deutschen stimmten zu. Und auch bei der Mutter aller Bekenntnisfragen „Wie hältst du es mit der Demokratie“ fahren die Flüchtlinge (96 Prozent) einen knappen Sieg gegenüber ihren deutschen Mitbürgern ein (95 Prozent).

Vorn liegen die vermeintlichen FDGO-Erfinder nur in einer Disziplin. Danach gefragt, ob sie sich einen “starken Führer” wünschten, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern müsse, schlagen die Deutschen (22 Prozent) ihre neunen Mitbürger knapp (21 Prozent). Aber der Führerkult ist ja auch ein Evergreen deutscher Desintegrationsdebatten.

 

 

 

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