Nahost-Berichterstattung: Mehr Israel pro Woche als Palästina im halben Jahr

Wie einseitig ist deutsche Nahost-Berichterstattung? Um das herauszufinden habe ich 4.853 Nachrichten deutscher Leitmedien ausgewertet. Das Ergebnis: Noch viel schlimmer als befürchtet.

Die Gewalt in Nahost nimmt kein Ende. Und mit ihr die Kritik an der Rolle deutscher Medien: Zu einseitig, zu selektiv, zu pro-israelisch sei die Berichterstattung von Tagesschau, Spiegel und Co.. Ist da etwas dran? Um das herauszufinden, habe ich knapp 5.000 Schlagzeilen deutscher Leitmedien seit dem 7. Oktober 2023 untersucht.

Welche Quellen verwenden Nachrichtenredaktionen, wenn sie über Genozid, Krieg und Gewalt in Nahost berichten? Wessen Angaben haben die größte Chance, es in die Schlagzeilen deutscher Medien zu schaffen? Wie einseitig ist die deutsche Nahost-Berichterstattung? Das sind die Fragen, die diese Untersuchung beantworten soll. Neben Tagesschau als größtes deutsches Nachrichtenformat kamen BILD als größte Tageszeitung, Die Zeit als größte Wochenzeitung und Der Spiegel als größtes Nachrichtenmagazin in die Auswahl. Berücksichtigt wurden alle Nachrichten mit Nahost-Bezug, die auf den Websites der Medien zwischen 7. Oktober 2023 und 19. Januar 2025 (der Tag der längst wieder gebrochenen Waffenruhe zwischen Israel und Hamas) erschienen sind.

Die Überschriften der Beiträge habe ich ihren Quellen zugeordnet: “Hamas-Tunnel unter UNRWA-Gebäude gefunden der israelische Armee , „Mindestens 50 Tote bei israelischem Angriff auf Flüchtlingslager“ dem Palästinensischen Gesundheitsministerium, “Gesundheitssystem in Gaza laut Uno ‘am Rande des Zusammenbruchs’” den Vereinten Nationen. Das Ganze 4.853-mal. So viele Nachrichten gab es im untersuchten Zeitraum. Das Ergebnis: 4.853 Antworten auf die Frage nach der Qualität deutscher Nahost-Berichterstattung.

Israels Regierung, Israels Armee und dann lange nichts

Die Ergebnisse habe ich zunächst nach Ländern ausgewertet. Israel oder Palästina? Die Antwort deutscher Nachrichtenredaktionen auf die Gretchenfrage des Nahost-Diskurses ist eindeutig: Von den 4.853 untersuchten Schlagzeilen ließen sich 2.100 (43,3 Prozent) auf israelische Quellen zurückführen. Auf palästinensischen Angaben beruhten hingegen nur 244 Überschriften (5,0 Prozent).

Auf jede Überschrift, die sich auf palästinensische Quellen bezog, kamen bei Spiegel und Zeit etwa sieben und bei der Tagesschau acht aus israelischen Quellen. Bei Bild lag das Verhältnis sogar bei eins zu achtzehn.

Oder anders ausgedrückt: Israelische Angaben machten in der ersten Woche der Berichterstattung mehr Schlagzeilen in deutschen Leitmedien als palästinensische Angaben im ersten halben Jahr.

Am geringsten war diese Schieflage beim Spiegel. Hier mussten Leserinnen “nur” zweieinhalb Monate die Berichterstattung verfolgen, um ähnlich viele „palästinensische“ Schlagzeilen zu Gesicht zu bekommen wie die Spiegel-Redaktion ihnen in der ersten Woche präsentierte. Bei der Tagesschau waren es über vier, bei der Zeit mehr als sechs Monate und BILD brauchte dafür sogar über ein Jahr und zwei Monate.

Bei Informationen aus anderen Ländern der Region sah es nicht besser aus. Sämtliche libanesischen, iranischen, jemenitischen und syrischen Quellen zusammen brachten es in den 15 Monaten der Untersuchung auf 293 Überschriften (6,0 Prozent). Zum Vergleich: Ähnlich viele Überschriften widmeten Spiegel, Zeit, Tagesschau und Bild israelischen Angaben in den ersten drei Wochen der Berichterstattung.

Jemen-Berichterstattung ohne jemenitische Quellen

Deutliches Schlusslicht im Überschriften-Ranking sind jemenitische Quellen: Nur 20 der insgesamt 4.853 untersuchten Schlagzeilen basierten auf solchen Angaben. Das bedeutet nicht, dass der Jemen für deutsche Medien kein Nachrichtenthema wäre. Deutsche Medien berichteten regelmäßig, etwa über Angriffe der Huthi-Rebellen auf westliche Handelsschiffe oder Angriffe der USA und Israels auf Häfen im Jemen.

Nur geschieht diese Berichterstattung fast nie aus jemenitischer Perspektive oder auf Basis jemenitischer Quellen. Während Nachrichten über Palästina und den Libanon überwiegend aus israelischer Perspektive berichtet werden, dominieren in der Jemen-Berichterstattung vor allem us-amerikanische Quellen wie das US-Militär.

So viel USA wie alle 57 arabischen und islamischen Staaten zusammen

Im Länderranking der Frage „Was macht eine Nachricht über den Nahen Osten für deutsche Medien zur Nachricht?“ landet überraschenderweise ein Land auf Platz zwei, das gar nicht im Nahen Osten liegt: die USA.

Informationen aus us-amerikanischen Quellen machten 580 Überschriften aus (12,0 Prozent) – das sind waren ähnlich viele Schlagzeilen wie alle Schlagzeilen auf Basis von Angaben aus sämtlichen 57 mehrheitlich arabischen und muslimischen Staaten zusammen (593 Überschriften).

Besonders ist ist die Affinität zur us-amerikanischen Sicht auf die Welt beim Spiegel. Etwa jede sechste Überschrift zum Nachrichtengeschehen in Nahost beruht dort auf Angaben aus den USA (17,1 Prozent).

Mehr USA als Deutschland

US-amerikanische Angaben waren für die untersuchten Medien sogar noch relevanter als solche aus deutschen Quellen, die mit 460 Überschriften (9,5 Prozent) auf Platz drei des Rankings landen. Angesichts dessen, dass es sich bei den untersuchten Medien um deutsche Redaktionen handelt, die sich vorrangig an ein deutsches Publikum richten, für das die deutsche Sicht der Dinge besonders interessant sein dürfte, überrascht auch dieses Ergebnis.

Der alleinige Fokus auf das Ursprungsland einer Information lässt natürlich nur begrenzte Rückschlüsse auf die journalistische Praxis in Nachrichtenredaktionen zu. Redaktionen wählen ihre Quellen nicht nach Nationalität aus, sondern nach journalistischen Kriterien wie Relevanz, Aktualität, Verfügbarkeit und Glaubwürdigkeit.

Angesichts dessen, dass sich das Nachrichtengeschehen seit dem 7. Oktober 2023 zum Großteil im Gazastreifen abspielt, wäre demnach eine große Zahl palästinensischer Quellen wie Augenzeuginnen, Rettungskräfte und Reporter sowie Vertreter von internationalen Organisationen und NGOs zu erwarten. Soweit zumindest die Theorie.

Fast dreiviertel aller Schlagzeilen basieren auf staatlichen Quellen

In der Praxis springt neben der Neigung zu israelischen Quellen zunächst eine weitere Vorliebe ins Auge: die zu staatlichen Angaben. 3.517 von insgesamt 4.853 untersuchten Überschriften (72,5 Prozent) gehen auf Aussagen von Regierungen, Geheimdiensten und Militärs zurück. Um Vergleichbarkeit zu schaffen, habe ich auch staatsähnliche Akteure wie die Hamas, Palästinensische Autonomiebehörde, Hisbollah und Huthis zu dieser Kategorie gezhält.

Am größten ist die Affinität zu staatlichen Angaben bei der Zeit (79,1 Prozent), am geringsten bei Bild (59,5 Prozent). Bei letzterer liegt das vor allem am hohen Anteil an Boulevard-Geschichten a lá „Hamas wollte Kopf von getöteten Soldaten verkaufen„, die die Redaktion oft aus israelischen Medien übernommen hat.

Dieser hohe Anteil staatlicher Informationen wäre in jeder Form von Journalismus ein Problem. Besonders gravierend wirkt sich die fehlende Distanz zu offiziellen Angaben aber in der Kriegs- und Krisenberichterstattung aus, schließlich gehören Propaganda und Desinformation zum Arsenal einer jeden Kriegspartei. Medien sind deshalb angehalten, mit solchen Informationen besonders vorsichtig und zurückhaltend umzugehen.

Israels Armee und Regierung sind die wichtigste Quelle für deutsche Medien

Vor allem, wenn es um staatliche Angaben Israels geht, ist in deutschen Leitmedien das Gegenteil der Fall: Israels Militär und Regierung sind mit großem Abstand die wichtigste Quelle in der deutschen Nahost-Berichterstattung. In jedem der untersuchten Medien ging mindestens jede dritte Überschrift (im Durchschnitt 35,5 Prozent) auf Äußerungen und Informationen offizieller israelischer Quellen zurück.

Demgegenüber basierten nur 194 Überschriften (4,0 Prozent) auf offiziellen palästinensischen Angaben – und das, obwohl die Glaubwürdigkeit dieser Angaben, etwa zu Opferzahlen, anders als jene der israelischen Armee, mehrfach durch die Vereinten Nationen, NGOs sowie wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt wurde.

Kaum offizielle Angaben über palästinensische Opferzahlen

Dieses Missverhältnis ist umso bemerkenswerter, als dass das Palästinensische Gesundheitsministerium in Gaza die wichtigste und meist die einzige Quelle für offizielle Opferzahlen aus Gaza darstellt. Die Berichterstattung über Tote und Verletzte gehört in der Kriegsberichterstattung normalerweise zu den wichtigsten Themen. Umso erstaunlicher ist es, dass die wichtigste Quelle hierfür von deutschen Nachrichtenredaktionen weitgehend ignoriert wird.

Auch andere Quellen für palästinensische Opferzahlen wie palästinensische Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und Rettungskräfte finden kaum Berücksichtigung. In 15 Monaten Berichterstattung von Tagesschau, Spiegel, Zeit und Bild schafften sie es gerade einmal in 10 von 4853 Schlagzeilen (0,2 Prozent).

Palästinensische Angaben oft nur dann, wenn sie sich nicht gegen Israel richten

Schaut man sich an, wann genau es palästinensische Angaben in Überschriften schaffen, fällt der Bias sogar noch größer aus. Offizielle palästinensische Quellen sind für deutsche Nachrichtenredaktionen meist nur dann relevant, wenn sie den Tod von Hamas-Mitgliedern, palästinensische Gewalttaten gegen Israel, den Fortgang von Waffenruhe-Verhandlungen oder innerpalästinensische Konflikte thematisieren.

Von den 84 Fällen, in denen es offizielle palästinensische Angaben in eine Überschrift des Spiegel schafften, lieferten nur 37 Überschriften Informationen über israelische Gewalttaten und/oder deren Folgen für die palästinensische Zivilbevölkerung (2,1 Prozent der Überschriften insgesamt). Bei der Zeit fielen 14 von 42 Überschriften in diese Kategorie (1,7 Prozent), bei der Tagesschau waren es 19 von 52 Überschriften (1,5 Prozent).

Besonders konsequent ging auch in diesem Fall die Redaktion der BILD vor. Von den 1004 untersuchten Bild-Schlagzeilen entfielen ohnehin schon nur 15 (1,5%) auf offizielle palästinensische Angaben. Kein einziges Mal in 15 Monaten Berichterstattung nutzte die Bild offizielle palästinensische Quellen, um auf israelische Gewalttaten oder das Leid der palästinensischen Bevölkerung aufmerksam zu machen. Eine vergleichbare Vorauswahl von Information findet sich gegenüber den Angaben von staatlichen israelischen Quellen nicht.

Wenig Interesse für Angaben von UN, WHO, UNICEF und Co.

Durch Israels Abriegelung des Gazastreifens haben ausländische Reporter keine Chance, Informationen selbst vor Ort zu überprüfen. Zu erwarten wäre, dass Medien deshalb die existierenden unabhängigen Quellen besonders intensiv nutzen. Das ist aber nicht der Fall.

389 von 4.853 untersuchten Überschriften (8,0 Prozent) gingen auf internationale Organisationen zurück. Am größten ist deren Chance, es in eine Schlagzeile zu schaffen, in der Tagesschau (10,6 Prozent), am geringsten bei der Bild (2,6 Prozent).

Auch dieses Ergebnis verwundert aus journalistischer Sicht, stellen die Vereinten Nationen mit ihren zahlreichen Unterorganisationen und tausenden Mitarbeitern doch eine sehr große Anzahl an nutzbaren und glaubwürdigen Quellen bereit, die tagtäglich eine riesige Menge leicht zugänglicher und für Medien gut aufbereitete Informationen produzieren.

Dazu gehören unter anderem die täglich erscheinenden Briefings zum Kriegsgeschehen und der humanitären Situation vom Büro der Vereinten Nationen für humanitäre Angelegenheiten (OCHA), die regelmäßigen Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur medizinischen Lage im Gazastreifen, Berichte des Welternährungsprogramms (WFP) zur Versorgung der Bevölkerung, die täglichen Statements von mehreren UN-Sonderberichterstattern, UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini und UN-Generalsekretär António Guterres. Hinzu kommen internationale Organisationen außerhalb der UN wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und der Internationale Strafgerichtshof (IStGH).

UN spielt vor allem dann eine Rolle, wenn sie selbst Akteur oder Betroffene ist

Für alle Medien gilt: Auch Informationen von internationalen Organisationen schaffen es deutlich seltener in die Überschriften als offizielle Angaben Israels. Auf jede Schlagzeile auf Basis von UN und Co. kommen bei Spiegel, Zeit und Tagesschau drei bis vier und bei der Bild vierzehn auf Grundlage offizieller israelischer Quellen.

Die journalistische Bilanz im Umgang mit Informationen internationaler Organisationen fällt streng genommen sogar noch schlechter aus, als es die genannten Zahlen zum Ausdruck bringen. Ein großer Teil der Überschriften entfällt auf Ereignisse, in denen die internationalen Organisationen nicht nur Quelle, sondern selbst Akteur oder Betroffene des Nachrichtengeschehens waren – etwa wenn Hilfslieferungen des Welternährungsprogramm von israelischen Soldaten aufgehalten wurden, UNRWA-Vertreter sich gegen Terrorismus-Anschuldigungen verteidigen, oder ein Sprecher der UN-Friedensmission UNIFIL im Libanon zum jüngsten israelischen Beschuss Stellung nimmt. Zieht man solche Beiträge ab, erscheint die Bedeutung internationaler Organisationen für den Redaktionsalltag in deutschen Newsrooms noch einmal deutlich geringer.

So viele NGO-Angaben in 15 Monaten wie Angaben von Israels Armee und Regierung in den ersten 3,5 Tagen

Nahezu nicht existent ist das Interesse deutscher Nachrichtenredaktionen an Informationen der dutzenden internationalen NGOs, die im Gazastreifen aktiv sind. Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Save the Children, Oxfam oder die deutsche Hilfsorganisation Cadus produzieren jeden Tag wertvolle und umfassende Informationen. Hinzu kommen die zahlreichen Berichte und regelmäßigen Statements von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch oder B’Tselem.

In 15 Monaten Berichterstattung schafften es ihre Informationen in lediglich 55 von 4.853 Schlagzeilen (1,1 Prozent) – so oft wie die Angaben von Israels Armee und Regierung in den ersten dreieinhalb Tagen.

Das Schlussschicht bei der Nutzung von NGOs für die Nachrichtenberichterstattung bildete abermals die BILD. Ein einziges Mal schafften es dort die Angaben einer NGO in eine Überschrift und auch das nur nachdem die israelische Armee sieben ihrer Mitarbeiter getötet hatte: “Sieben Hilfs-Mitarbeiter sterben bei Luftangriff”, titelte BILD am 2. April 2024 nach dem israelischen Soldaten einen Hilfskonvoi der amerikanischen Hilfsorganisation World Central Kitchen beschossen hatte. Auch in den anderen untersuchten Medien sind NGOs als Quellen vor allem dann interessant, wenn sie selbst zum Opfer des Kriegsgeschehens werden.

Reporter vor Ort und arabische Medien spielen fast keine Rolle

Medienberichte sind eine weitere Quelle im täglichen Nachrichtengeschäft. Das gilt auch für die deutsche Nahostberichterstattung. Insgesamt schafften es Informationen aus anderen Medien 425-mal (8,8 Prozent) in die Überschriften von Bild, Tagesschau, Zeit und Spiegel (Politiker-Statements ausgenommen). Dabei reichen die Werte von 5,8 Prozent bei der Tagesschau bis 15,3 Prozent bei Bild. Was alle Medien gemein haben, ist auch hier eine große Vorliebe zu israelischen Presseberichten.

192 Überschriften (4,0 Prozent insgesamt) gingen auf Angaben aus israelischen Medien wie den TV-Sendern Channel 12 und Channel 14 oder israelischen Tageszeitungen wie Yedioth Aharonoth, Jerusalem Post und Haaretz zurück.

Angaben aus palästinensischen Medien hingegen fanden sich gerade einmal in sechs (0,1 Prozent) Überschriften wieder. Rechnet man noch die fünfzehn Fälle hinzu, in denen es Medienangaben aus dem Libanon und 22 aus Medien aller anderen mehrheitlich arabischen Ländern in Überschriften schafften, kommt man auf 43 Überschriften, die auf arabischen Medienberichten basieren (0,9 Prozent).

Palästinenser, Libanesen, NGOs und UN zusammen nur halb so viel wie Israels Armee und Regierung allein

Aus journalistischer Sicht verwundert auch dieses Ergebnis, da Medien wie die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa oder der TV-Sender Al-Jazeera regelmäßig sehr schnell und umfassend berichten und über ein unvergleichliches Netz an Korrespondenten und Kontakten in der Region verfügen.

Das Desinteresse gegenüber den Informationen, die palästinensische und libanesische Reporter sowie die gesamte arabische Medienlandschaft täglich bereitstellen, ist vielleicht das deutlichste Zeichen dafür, dass deutsche Nachrichtenredaktionen nicht gewillt sind, ihrem Publikum ein präzises Bild der Ereignisse im Nahen Osten zu vermitteln.

Während Spiegel, Zeit, Tagesschau und Bild den Darstellungen von Israels Armee und Regierung regelmäßig den wichtigsten Platz ihrer Berichterstattung überlassen, bleiben Informationen, die der offiziellen israelischen Darstellung widersprechen, selbst dann ungenutzt, wenn sie durch unabhängige Quellen wie NGOs, UN, Reporter und Augenzeugen bestätigt wurden.

Palästinensische und libanesische Augenzeugen, Angehörige und Überlebende, Behörden und Politiker, Reporter, Ärzte und Sanitäter,  die dutzenden in und zu Gaza aktiven NGOs, sowie die unzähligen Institutionen und Personen, die unter dem Dach der Vereinten Nationen aktiv sind: Sie alle zusammen schafften es nicht einmal halb so oft in die Schlagzeilen deutscher Nachrichtenmedien (830) wie Israels Regierung und Armee allein (1734).

Tagesschau und Bild ignorierten meine Anfrage

Wie erklären Spiegel, Zeit, Tagesschau und Bild dieses Missverhältnis? Welche Probleme sehen sie selbst in ihrer Berichterstattung? Wie bewerten sie die Glaubwürdigkeit einzelner Akteure wie die der israelischen Armee, des palästinensischen Gesundheitsministeriums oder der Vereinten Nationen und was bedeutet das für ihre Berichterstattung? Konkrete Antworten auf all diese und weitere Fragen bekam ich von keiner Redaktion. Während Bild und Tagesschau gar nicht antworteten, meldeten sich bei Zeit und Spiegel immerhin die Presse-Abteilungen.

„Mit größtmöglicher Sorgfalt und Quellenvielfalt informieren wir unser Publikum über die Ereignisse“, versicherte eine Verlagssprecherin der Zeit auf Anfrage. Neben Agenturen und internationalen wie regionalen Medien nutze man „die offiziellen Kanäle aller relevanten Akteure in der Region, weitere Primär- und Sekundärquellen sowie hauseigene Fachexpertise“, erklärte der Verlagssprecher des Spiegel. Während die Zeit die Bitte nach einer Stellungnahme zu den Ergebnissen dieser Untersuchung ignorierte, wies der Spiegel die Ergebnisse allgemein als „unzutreffend“ zurück.

Nach den Herausforderungen in ihrer alltäglichen Berichterstattung gefragt, wiesen Spiegel und Zeit darauf hin, dass die israelische Armee internationalen Medien den Zugang zum Gazastreifen verwehre. „Dies erschwert unabhängige Verifikation erheblich“, schreibt Der Spiegel. Das stimmt sicherlich.

Aber wie die Analyse der journalistischen Praxis von Spiegel, Zeit, Tagesschau und Bild zeigt, sind geschlossene Grenzen längst nicht das einzige Problem deutscher Medien.  Es mag schwer sein, unabhängige Informationen aus Gaza zu bekommen. Doch deutsche Medien scheinen es nicht einmal zu versuchen. Neben den Entscheidungen der israelischen Armee sind es auch die Entscheidungen in deutschen Nachrichtenredaktionen, unter denen die Berichterstattung über den Nahen Osten leidet.

Immer noch nicht genug? Dann findet ihr hier noch eine Erklärung zur Methodik der Untersuchung.

1 Kommentare On Nahost-Berichterstattung: Mehr Israel pro Woche als Palästina im halben Jahr

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