Taqiya der Islamfeinde

Islamfeinde werfen politisch aktiven Muslimen gern vor, ihre wahren Absichten zu verschleiern. Dabei kennt man Täuschungen über die eigenen Ziele eher aus der politischen Praxis konservativer Politiker.

Wenn sich Muslime und Musliminnen öffentlich für liberale Werte stark machen, wird ihnen von Islamfeinden gern vorgeworfen, damit nur ihre „wahren Ziele“ verschleiern zu wollen. Da wird aus dem arabischstämmigen deutschen Journalisten, der den Rassismus eines Politikers anprangert, schnell ein „Agent Erdoğans“. Oder die Integrationsarbeit von Moscheevereinen wird pauschal als Versuch der „islamistischen Unterwanderung“ geschmäht.

An solchen Legenden ist nur selten etwas dran. Zumindest, wenn es um das vermeintliche doppelte Spiel von Muslimen geht. Umgekehrtes Phänomen lässt sich hingegen häufiger beobachten: Islamfeinde, die vorgeben, Extremismus bekämpfen zu wollen, nur um am Ende grundgesetzlich verbriefte Rechte einzuschränken.

Wie man mit einem Gesetz gegen Nazi-Tatoos Musliminnen ausgrenzt

Die Große Koalition im Bundestag lieferte vor Kurzem ein schönes Beispiel hierfür. Mit der Mehrheit von SPD und CDU/CSU passierte ein Gesetz das Plenum, das sich vor allem gegen rechtsextreme Symboliken wendet. Versteckt und verklausuliert enthielt es aber auch eine Passage, die nur schwer in Einklang zu bringen ist, mit der grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit. Mit Blick auf das Tragen von Kopftuch und anderen religiösen Symbolen heißt es dort:

Das Recht, solche Erscheinungsmerkmale zu tragen, kann eingeschränkt oder gänzlich untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen.


Die Verschleierungstaktik hatte Erfolg. Das Gesetz zum “Erscheinungsbild von Beamtinnen und Beamten” passierte das Plenum. Ohne parlamentarische Aussprache. Ohne Anhörung von Betroffenen. Trotz Protests von Religionsgemeinschaften. Trotz Verfassungsbedenken von Juristinnen und Juristen.

Einzig die Linke stimmte dagegen. Auch als zwei Wochen und jede Menge öffentliche Empörung später der Bundesrat über die Ausgrenzung religiöser Minderheiten aus dem Öffentlichen Dienst abstimmte, blieb es im Saal auffällig still. Die einzige Person, die es schaffe, sich gegen die Einschränkung der Religionsfreiheit auszusprechen, war Thüringens linker Staatskanzleichef Benjamin Hoff.

Vor allem wenn es um Migranten und Musliminnen geht, setzten Politiker auf Verschleierung

Solche Einschränkungen von Grundrechten durch die Hintertür sind keine Einzelfall. Das prominenteste Beispiel der jüngsten Vergangenheit: der sogenannte Staatstrojaner, der es Sicherheitsbehörden seit 2017 u.a. erlaubt Whatsapp-Nachrichten von jedermann mitzulesen. Die GroKo versteckte die grundgesetzlich bedenkliche Passage in in einem sehr langen Gesetz “zur effektiveren und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens”, das sich unter anderem mit der Abwehr islamistischen Terrors beschäftigte.

Vor allem, wenn es um Migrantinnen und Muslime geht, bedienen sich deutsche Regierungsparteien immer wieder dieser Verschleierungstaktik. Als Union und SPD im März 2016 ein Gesetz zur Beschleunigung von Asylverfahren verabschiedete, stelle dieses sich auch als wirksames Mittel heraus, um Flüchtlingen den Familiennachzug zu verweigern.

Als die GroKo 2019 das Staatsangehörigkeitsrecht änderte, um IS-Mitglieder den deutschen Pass entziehen zu können, verbarg sich in den Paragraphen auch eine Passage, die die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft für Menschen erschwerte, die überhaupt nichts mit Terrorismus zu tun haben.

Und als die Große Koalition im Januar 2020 ein Gesetz initiierte, das vermeintlich darauf abzielte, gut integrierten Flüchtlinge ohne positiven Asylbescheid eine Bleibeperspektive zu geben, stellte sich bald heraus, dass das Gesetz vor allem Abschiebungen erleichtert.

In anderen Ländern gingen Kopftuchverboten wenigsten kontroverse politische Debatten voraus

Befürworter des Kopftuchverbotes im Beamtengesetz verteidigen Inhalt und Zustandenkommen mit dem Argument, dass das Gesetz Richterinnen, Lehrerinnen und Polizistinnen nicht wie beispielsweise in Frankreich pauschal das Kopftuchtragen verbiete. Stattdessen schaffe es nur die rechtliche Möglichkeit hierfür. Die Entscheidung obliege letztlich den jeweiligen Dienstherren. Das stimmt und führt trotzdem in die Irre.

Denn zum einen handelt es sich bei jenen, die meinen, man müsse religiöse Minderheiten nicht einmal anhören, bevor man die Möglichkeit schafft, sie aus dem Staatsdienst zu entfernen, häufig um dieselben Politiker, die bei jeder Gelegenheit das Ende von Meinungsfreiheit und Debattenkultur beklagen, wenn sie irgendwo nicht zu Wort kommen.

Zum anderen gingen auch den restriktiveren Kopftuchverboten in anderen Ländern stets zwei Sachen voraus, die deutschen Verschleierungspolitikern fremd zu sein scheinen: ein transparenter Gesetzgebungsgesetz und die Bereitschaft zu kontroversen politische Debatten.

Als im Februar 2004 französische Parlamentarier über das Koptuchverbot an Schulen abstimmten, debattierte die Nationalversammlung zuvor ganze drei Tage lang über das Gesetz. Auch als im Mai 2019 Österreichs Nationalrat ein Kopftuchverbot an Volksschulen beschloss, war jedem klar, worüber er abstimmte und oppositionelle Abgeordnete hielten engagierte Reden über die diskriminierende Wirkung des Gesetzes. Auch der viel kritisierten Schweizer Volksabstimmung für ein Verbot von Niqab und Burka in diesem Jahr ging immerhin eine wochenlange kontroverse Debatte voraus, in der sich alle Akteure Gehör verschaffen konnten.

Wenn spätere Generationen hingegen einmal fragen, welche Diskussionen Politiker und Politikerinnen in Deutschland führten, bevor sie den Weg für die Ausgrenzung religiöser Minderheiten aus dem Öffentlichen Dienst frei machten, muss die Antwort leider lauten: überhaupt keine.

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