Moscheefinanzierung: Inländische Einflussnahme

Zu Beginn meiner Unizeit verirrte ich mich einmal in eine kleine thüringische Studentengemeinde. Wobei die Bezeichnung „thüringisch“ schon irreführend ist. Die Gruppe stand fest unter amerikanischer Kontrolle. Ihre Gründerin war eine stets gut gelaunte Frau aus Florida, die auf ihrer Reise durch Europa überall Ableger ihrer baptistischen Heimatgemeinde hinterließ.

Im Gottesdienst erklärte ein kalifornischer Prediger, dass sich der größere „War on Terror“ gegen das Böse in uns selbst richte. In der Jüngerschaftsgruppe lasen wir Bücher evangelikaler US-Autoren. Und wer es – anders als ich – schaffte, dauerhaft dabei zubleiben, endete nicht selten in Fort Worth, Texas, um sich am baptistischen Theologie-Seminar selbst zum Prediger ausbilden zu lassen.

Register, Gesetze und Debatten gibt es nur bei Muslimen

Ein Problem mit der amerikanisch-thüringischen Koop-Gemeinde hatte damals niemand. Weder die Uni, die jeden Sonntag den Hörsaal für den Studentengottesdienst bereitstellte, noch irgendein Politiker. Warum auch? Schließlich – auch das lernte ich während meines Studiums – gilt die Religionsfreiheit für amerikophile Christen ebenso wie für allen anderen Gläubigen in Deutschland.

Einige Jahre später scheint sich das geändert zu haben. Debatten über ausländische Einflussnahme auf religiöse Gruppen gehören heute zum medialen und politischen Alltag. Zumindest, wenn es sich bei der religiösen Gruppe um Muslime handelt. Um die “finanzielle Beeinflussung aus dem Ausland besser aufklären zu können”, fordert die Fraktion von CDU und CSU im Bundestag die Kompetenzen des Verfassungsschutzes zu erweitern. Einige Politiker bringen ein „Moscheeregister“ ins Spiel, um tatsächliche oder vermeintliche Einflüsse ausländischer Akteure zurückzudrängen.

Muslimische Gemeinden finanzieren sich vor allem aus dem Inland

Dabei unterscheidet sich muslimisches Gemeindeleben in der Frage ausländischer Einflussnahme weit weniger von dem anderer Konfessionen als es die ständigen Islamdebatten suggerieren. Die frohe Botschaft für alle besorgten Integrationspolitiker: Die Geschichte, wonach sich muslimische Gemeinden in Deutschland überwiegend aus dem Ausland finanzieren, Millionen, gar Milliarden an Spenden aus der Türkei oder Saudi Arabien erhalten, ist schlicht falsch.

Moscheevereine in Deutschland bestreiten ihren Unterhalt – wie die meisten religiösen Institutionen weltweit – zum allergrößten Teil über Spenden ihrer Mitglieder und ehrenamtliche Arbeit. Vereinzelte Ausnahmen gibt es. Aber die sind in etwa so repräsentativ für das islamische Leben in Deutschland wie es evangelikale Studentengemeinden für das christliche sind.

Recht haben Politiker hingegen, wenn sie auf andere Verbindungen von islamischen Gemeinden ins Ausland hinweisen. Diese sind mal kulturell-ideeller Art wie bei bosniakischen oder afrikanischen Moscheen, bestehen auf finanzieller und personeller Ebene wie bei den hunderten Moscheen, die im Dachverband Ditib organisiert sind, oder sind theologischer Natur wie bei den Ahmadis.

Verbindungen zum Ausland sind der religiöse Normalfall

Aber auch das macht Muslime nicht zu Sonderlingen. Im Gegenteil. Hier eine kleine Auswahl der christlichen Konfessionen in Deutschland, die sich allenfalls sehr unzureichend mit dem für Muslime vielfach geforderten Attribut „deutsch“ beschreiben lässt: griechisch-orthodox, russisch-orthodox, serbisch-orthodox, syrisch-orthodox, äthiopisch-orthodox, rumänisch-orthodox…

Rund zwei Millionen Menschen gehören einer der Orthodoxen Kirchen in Deutschland an. „Deutsch“ sind weder ihrer Oberhäupter, noch ist es in den meisten Fällen die Sprache ihrer Predigt. Und auch an ihrer politischen Unabhängigkeit kann man in vielen Fällen zweifeln.

Das gilt natürlich auch für den christlichen Mainstream. 23 Millionen Katholiken in rund 25.000 Gemeinden in Deutschland sind in einem Maße von einem ausländischen Staatsoberhaupt abhängig, dass jede Ditib-Moschee im Vergleich wie ein Autonomes Zentrum anmutet. Das Weltbild ihrer Funktionäre ist häufig ebenfalls aus der Zeit gefallen. Auch das ein Merkmal, das Gläubige in Deutschland religionsübergreifend eher eint als trennt.

Das Grundgesetz hat weder etwas gegen Importpriester, noch gegen Importimame

Problematisch ist daran nichts. Der Meinung waren zumindest Religionspolitiker vor 70 Jahren, als sie die Religionsfreiheit ins Grundgesetz schrieben. Im Gegensatz zu ihren heutigen Kollegen unterließen sie es ebenso zwischen „liberal“ und „konservativ“ zu unterscheiden, wie Grundrechte nach Religionen und Konfessionen zu differenzieren. Ein Verbot ausländischer Finanzierung für einzelne Glaubensgruppen lässt sich mit dem Grundgesetz ebenso wenig machen wie eine Verpflichtung, Prediger im eigenen Land auszubilden.

Zum Glück für die Katholische Kirche. Die muss trotz 19 Fakultäten für Katholische Theologie, 28 Priesterseminaren und Milliardenetat immer häufiger auf Importpriester aus Indien, Polen oder Nigeria zurückgreifen. Und auch die rund 120 Auslandspfarrer, die die „Evangelische Kirche in Deutschland“ trotz ihres Namens in Gemeinden von Australien bis Zimbabwe beschäftigt, hätten wohl einen Stammplatz auf Titelseiten, müssten sie sich mit denselben Maßstäben messen lassen wie Muslime.

Sucht man nach Gründen für den Mangel an einheimischen Predigern, endet dann aber doch die Vergleichbarkeit von christlichen und muslimischen Gemeinden. Denn anders als bei manchen Freikirchen sorgt bei Muslimen nicht der missionarische Eifer einer weit entfernten Heimatgemeinde dafür, dass in vielen deutschen Moscheen ein ausländischer Imam vorbetet. Und es liegt auch nicht am Mitgliederschwund wie bei der Katholischen Kirche.

Der Grund, warum der türkische Steuerzahler seit Jahrzehnten mit Zustimmung der Bundesregierung für einen Teil des deutschen Gemeindelebens aufkommt, ist schlicht, dass es lange Zeit keine deutschen Imame gab.

Muslime so behandeln wie alle anderen Gläubigen auch

Dass sich dies auch heute nur viel zu langsam ändert, liegt auch an deutschen Politikern, die deutschen Muslimen jene Ausbildungsstrukturen verwehren, die für deutsche Christen oder Juden selbstverständlich sind. Damit tragen sie dazu bei, Muslime in jene Außenseiterrolle zu drängen, die sie anschließend beklagen.

Dieser Mechanismus findet sich nicht nur bei der Imamausbildung: Religionsunterricht, der Bau von Moscheen, Zugang zu staatlicher Förderung, Vereinbarkeit von Frömmigkeit und öffentlichen Leben, rechtliche Anerkennung… Um Muslime in der deutschen Religionslandschaft zum Sonderfall zu machen, braucht es keine ausländischen Strippenzieher; das schaffen deutsche Innenpolitiker schon ganz allein.

Die Forderung nach finanzieller und politischer Unabhängigkeit und religionsrechtlicher Gleichstellung des islamischen Lebens in Deutschland, ist eine, die am vehementesten von deutschen Muslimen selbst kommt und allzu häufig an deutscher Islampolitik scheitert. Wer daran etwas ändern will, braucht weder Moscheeregister noch Islamgesetze einführen, sondern nur eines tun: Muslime so behandeln wie alle anderen Gläubigen in Deutschland auch.

[Das Aufmacherbild zeigt das ausländische Staatsoberhaupt, das seit Jahrhunderten den wohl größten Einfluss auf deutsche Gläubige ausübt – hier in der Version von Papst Paul III. Mehr Infos zum Gemälde “Papst Paul III. betrachtet Cranachs Luther-Porträt” von Karl Schorn gibt es hier.]

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