Österreichs Islamgesetz galt einmal als beispielhaft dafür, wie ein Staat die Rechte einer religiösen Minderheit sichern kann. Doch spätestens seit dessen Novellierung im Sommer 2021 ist von diesem Anspruch nichts mehr übrig.
Eigentlich reichte schon ein Blick auf den Namen des Tagesordnungspunkts, um zu erkennen, wie Österreichs Regierung mittlerweile auf seine muslimischen Bürger blickt. Die Änderungen an einem Gesetz, das ursprünglich einmal Minderheitenrechte schützen sollte, stand bei der Abstimmung des Nationalrats am 7. Juli unter der Überschrift „Anti-Terror-Paket“.
Auch der Inhalt des novellierten Islamgesetzes lässt keinen Zweifel, dass Muslime in Österreichs mittlerweile vor allem als Sicherheitsrisiko herhalten müssen: Strengere Kontrollen der Finanzen muslimischer Vereine, staatliche Registrierung aller Imame, einfachere Schließung von Moscheen. Beschlossen von einem breiten Bündnis aus ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOs. Trotz des Protests von Wissenschaftlern, NGO, Kirchen und Juristen und gegen den ausdrücklichen Willen der betroffenen Religionsgemeinschaft.
Als das Islamgesetz noch Minderheiten schützte, statt sie auszugrenzen
Dabei hatte alles einmal so gut angefangen. 1912 beschloss die Habsburgermonarchie ein Gesetz, das den Islam als Religionsgemeinschaft staatlich anerkannte und muslimischen Bürgern das Recht zusicherte, ihren Glauben frei auszuüben. Ein Status, vom dem viele Muslime in anderen europäischen Ländern, bis heute nur träumen können.
Das änderte sich knapp einhundert Jahre später. Nach mühsamen Verhandlungen zwischen Staat und der offiziellen Vertretung von Österreichs Muslimen, der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), trat 2015 ein neues Islamgesetz in Kraft. Mit ihm begann ein Trend, der sich seitdem konsequent durch Österreichs Islampolitik zieht: Ausgrenzung statt Teilhabe.
Festschreibung eines gesellschaftlichen Generalverdachts
Das neue Islamgesetz greift nun tief in die religiöse Autonomie von Muslimen ein: Islamischen Organisationen wird es untersagt, Gelder aus dem Ausland anzunehmen. die Versammlungsfreiheit für Muslime wird eingeschränkt. Imame sollten leichter abgesetzt werden, islamische Einrichtungen leichter geschlossen werden können. Bis dahin unabhängige islamische Gemeinden wurden gezwungen sich dem großen Dachverband anzuschießen.
Einige Passagen in dem Gesetzestext lassen sich nicht anders verstehen als die gesetzliche Festschreibung eines gesellschaftlicher Generalverdacht: Von islamischen Religionsgesellschaften wird beispielsweise „eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat“ verlangt. Eine Forderung, die andere Gläubige und Nicht-Gläubige in Österreich nicht kennen.
Das Gesetz verfehlte seine Wirkung nicht. 2018 kündigte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz mit Verweis auf das Islamgesetz an, mehrere Moscheen schließen zu wollen. Das Vorhaben scheiterte an der Justiz des Landes, doch die Stigmatisierung muslimischer Religionsausübung ging weiter. Auch jenseits des Islamgesetzes.
Islampolitik bedeutet heute vor allem, Muslime ihre Rechte zu verwehren
Kopftuchverbote in Grund- und Volksschulen, die Einrichtung der „Dokumentationstelle Politiker Islam“, Polizeirazzien gegen muslimische Bürger und Einrichtung, die viel kritisierte „Islamlandkarte“… Die Islampolitik jenes Land, das einmal als Vorreiter bei der Sicherung der Rechte seiner muslimischen Minderheit galt, besteht heute vor allem darin, Muslime ihre Rechte abzusprechen.
Einen Einblick, wie weit die Kriminalisierung muslimischer Religionsausübung fortgeschritten ist, bietet der aktuelle Jahresbericht von Österreichs Bundesamt für Verfassungsschutz.
Als Merkmale zu bekämpfender islamistischer Akteure listet diese unter anderem folgende auf: „Betrieb von Gebetsräumen“, das „Angebot von muslimischen Religionsunterricht“, die „Organisation von muslimischen Begräbnissen“ sowie „weitergehende Angelegenheiten der Bildung, der sozialen Fürsorge und der „Ausgestaltung des kulturellen Lebens“ . Es sind ziemlich exakt jene „Merkmale“, die laut Islamgesetz zu den staatlich bewilligten Aufgaben der Islamischen Glaubensgemeinschaft des Landes zählen.
Verfassungswidrig und nutzlos im Kampf gegen Terror
Sollte das Islamgesetz muslimische Gläubigen vor allem vor staatlichen Eingriffen schützen, wird dieser Schutz mit der aktuellen Novellierung des Islamgesetz weiter aufgeweicht. Auschließlich für islamische Gemeinden wurden Pflichten zur Offenlegung ihrer Finanzen noch einmal verschärft. Behörden können nun religiöse Einrichtungen auflösen, ohne die Betroffenen anzuhören.
Nicht nur islamische Vertreter beklagen diesen staatlichen Eingriffe in die religiöse Autonomie. Auch Verfassungs- und Religionsrechtler bezweifeln, dass das Ausmaß, mit dem der Staat religiöse Rechte beschneidet, noch mit der Verfassung des Landes zu vereinbaren ist.
Und selbst das Hauptargument der Regierung aus ÖVP und Grünen, wonach die Überarbeitung des Gesetzes nötig sei, um Österreich vor „islamistischen Terror“ zu schützen, steht auf wackligen Füßen. Nachdem Bundeskanzler Sebastian Kurz das „Anti-Terror-Paket“ infolge des Attentats vom 2. November 2020 auf den Weg brachte, beschäftigte sich eine offizielle Untersuchungskommission mit möglichen staatlichen Versäumnisses.
Davon fand die Kommission tatsächlich jede Menge und forderte Reformen bei Verfassungsschutz und Polizei. Kurz‘ „Anti-Terror-Paket“ das auch die Novellierung des Islamgesetzes umfasst – so urteilte die Kommission – sei für Verhinderung von Terroranschlägen hingegen völlig nutzlos.
[Das Aufmacherbild stammt aus der Zeit von Österreichs erstem Islamgesetz. Infolge der Annexion des muslimischen Bosnien Herzegowinas im Jahr 1908 und der Aufnahme von Muslimen in die österreichische Armee wurde u.a. Halal-Essen und Militär-Imame eingeführt sowie Freitage zu Feiertagen erklärt.]
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