Kontakt zu Flüchtlingen macht Deutsche toleranter

Sebastian Kurz machte Kindergarteneltern zu Islamisten · Flüchtlinge machen Deutsche toleranter · Rechtsextremisten machen auf Soldaten · Hochzeitsveranstalter machen keine Feiern für Muslime · Rheinland Pfalz macht nichts für Gleichstellung

Der Zuzug von hunderttausenden Flüchtlingen in den Jahren 2015 und 2016 hat Deutschland gespalten und den Rechtsruck der Gesellschaft befördert. So lautet ein beliebte Erzählung deutscher Migrationsberichterstattung. Eine Studie zeigt nun: In vielen Teilen des Landes ist das Gegenteil der Fall. Wo Flüchtlinge hinziehen, werden Deutsche toleranter.

Kontakt zu Flüchtlingen schützt vor Rassismus

Regionen, in denen viele Geflüchteten leben, sind durchschnittlich toleranter und zeichnen sich durch einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt aus als Gegenden mit geringem Flüchtlingsanteil. Das ist das Ergebnis der Untersuchung „The Social Consequences of the Increase in Refugees to Germany 2015-2016“.

Drei Forscher haben untersucht, wie sich die Einstellungen von rund 20.000 Menschen in den Jahren 2009 bis 2017 entwickelt haben. Sie fanden heraus: Zwar haben in Zuge der “Flüchtlingskrise” generell Sympathien für extrem rechte Bewegungen und Parteien zugenommen, doch der direkte Kontakt zu Geflüchteten vermindert offenbar die Gefahr, rechten Klischees auf den Leim zugehen.

Ein Fazit der Studienmacher lautet:

…ausgrenzende Haltungen [können] durch mehr Kontakt abgebaut werden. Je mehr lokale Begegnungen es gibt, desto weniger greift der allgemeine Diskurs, der Geflüchtete zur Bedrohung macht.

Die ganze Studie gibt es hier, eine Zusammenfassung im Migazin. Die Ergebnisse passen übrigens gut zu den Erkenntnissen anderer Untersuchungen, wonach Ausländerfeindlichkeit und Rassismus überall dort am höchsten sind, wo es die wenigsten Ausländer gibt.

Noch mehr Rechtsextremisten in der Bundeswehr

Ein paar mehr Migranten könnte auch die Bundeswehr vertragen. Dort hat die Zahl rechtsextremer Verdachtsfälle zugenommen. Zu diesem Ergebnis kommt aktuell der Militärische Abschirmdienst (MAD). Nach 363 im Jahr 2019 stieg die Zahl im Jahr 2020 auf 477. Häufigster Auslöser für Untersuchungen seien “ausländer- bzw. fremdenfeindliche Aussagen” in sozialen Medien.

Wie bei allen staatlichen Geheimdiensten sollte man die Ergebnisse allerdings mit Vorsicht genießen. So äußerte sich beispielsweise im Jahr 2018 der damalige MAD-Chef Christof Gramm zum Thema:

Den MAD-Bericht, der am Dienstag (26.10.) dem Bundestag vorgestellt wurde, gibt es hier, eine Zusammenfassung bei Spiegel Online.

Selbst bei der Hochzeit werden Muslime diskriminiert

Von Diskriminierung in einem ganz anderen Lebensbereich handelt folgende Geschichte. Britische Forscherinnen haben untersucht, welche Erfahrungen Menschen mit muslimischen und/ oder arabischen Hintergrund bei deutschen und österreichischen Hochzeitsveranstaltern sammeln.

Das Ergebnis der Studie “Ethnic and Religious Discrimination in the Wedding Venue Business: Evidence from Two Field Experiments in Germany and Austria”: Muslimische Brautpaare bekommen seltener Zusagen von Hochzeitsveranstaltern als christliche oder nicht-religiöse Heiratswillige.

Ein Interview mit Studienmacherin Sarah Carol gibt’s hier
, die ganze Studie dort.

Wie Sebastian Kurz Kindergarteneltern zu Islamisten machte

Zumindest in Österreich dürfte sich dieses Problem bald erledigt haben, schließlich ist mit dem Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz das Phänomen Islamfeindlichkeit quasi Geschichte. … Spaß!

Ein schönes Beispiel dafür, wie selbstverständlich und akzeptiert Feindseligkeiten gegenüber Musliminnen in Österreich sind, lieferte diese Woche der FPÖ-Politiker Mario Kunasek. Gegenüber seinen rund 130.000 Facebook-Freunden erklärte er, Moscheen seien „Symbol des politischen Islam“ und „kulturelle Kampfansagen“.

Das wirklich Schlimme daran: So richtig aufregen tut sich über solche Aussagen – immerhin von einem ehemaligen Verteidigungsminister – in Österreich niemand mehr.

Einen Einblick, in Sebastian Kurz’ Beitrag zu diesem Klima, gibt ein aktuelles Interview mit Florian Klenk. Auf Republik.ch erinnert der Falter-Chefredakteur unter anderem daran, wie Sebastian Kurz – damals noch als Außenminister – eine Studie fälschen ließ, um die Eltern muslimischer Kindergartenkinder als Islamisten darzustellen.

Rheinland-Pfalz verschiebt Gleichberechtigung von Muslimen (mal wieder)

Zumindest eines haben Österreichs Musliminnen ihren deutschen Glaubensschwestern voraus: Ihre Glaubensgemeinschaft ist staatlich anerkannt und besitzt gesetzlich festgeschriebene Rechte (auch wenn es daran auch viel zu kritisieren gibt). Ein Zustand, von dem Muslime in den meisten deutschen Bundesländern bisher nur träumen können.

Seit über sechs Jahren diskutiert beispielsweise die Landesregierung von Rheinland-Pfalz mit den dortigen islamischen Vertretungen darüber, unter welchen Voraussetzungen sie Muslimen Rechte gewährt, die für andere Gläubige längst selbstverständlich sind: eigene Feiertage, bekenntnisorientierter Unterricht, Ausbildung von Predigern und Theologen…

Nun haben sich Landesregierung auf der einen sowie Ditib, VIKZ und Ahmadiyya auf der anderen Seite zumindest darauf geeinigt, sich vielleicht im kommenden Jahr auf irgendetwas zu einigen. Vielleicht aber auch nicht.

[Nachtrag 28.10. 8:30 Uhr: In einer früheren Version des Beitrages hieß es, dass der Zuzug von Flüchtlingen Deutschland generell toleranter gemacht hätte. Das ist nicht der Fall. Vielmehr fand die erwähnte Studie diesen Zusammenhang nur in Gegenden, in denen viele Geflüchtete leben. Bitte entschuldigt den Fehler und danke an @apirzadaa für den Hinweis.]

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