Nach gescheitertem Krieg mit 175.000 Toten: Bundeswehr feiert sich mit Kaisserreich-Folklore

Zapfenstreich: Grüne bis AfD vereint in Militarismus · Verloren und trotzdem gewonnen? BDSler scheitern mit Klage gegen Bundestag · Kein Muezzin ruft zum Gebet und alle drehen durch · Bald mehr Moscheen in Ostdeutschland als Kirchen in Afghanistan ·

So viel Realitätsverleugnung muss man erst einmal aufbringen: Nach 20 Jahren sinnloser Besatzung, rund 175.000 Toten, über 5,5 Millionen Vertriebenen und einem in jeder Hinsicht gescheitertem Krieg, der mit dem Rückkehr der Taliban auf dem Tiefpunkt endete, feiert sich die Bundeswehr mit Fackeln und Marschmusik vor dem Reichstag – und das ganze politische Establishment marschiert mit. Ein bisschen Folklore aus NS- und Kaiserreichzeit reicht am Mittwoch (13.10.) aus, um auch noch dem letzten Grünen-Politiker die alten Flausen, wonach von Deutschland nie wieder Krieg ausgehen dürfe, aus dem Kopf zu blasen.

Bundeswehr gedenkt Opfer – außer sie sind Afghanen

Ich hab kurz überlegt, ob der Zapfenstreich wirklich in einen Wochenrückblick gehört, in dem es um islamfeindliche Ereignisse geht. Militaristisch klar, nationalistisch, chauvinistisch, geschichtsvergessen sowieso… aber islamfeindlich? Aber klar doch! Denn wie jeder Krieg wäre auch jener in Afghanistan nicht möglich gewesen, ohne die konsequente Entmenschlichung, der Menschen, die hauptsächlich von ihm betroffen sind: Muslime, Afghaninnen oder schlicht „die da unten“.

Würden wir afghanisches und deutsches Leben gleichermaßen wertschätzen, die deutsche Beteiligung am Afghanistan-Krieg wäre wahrscheinlich nach wenigen Wochen wieder zu Ende gewesen. Würden wir über die 100 Toten des Luftangriffs von Kunduz und die ungezählten anderen Menschen, die deutsche Soldaten auf dem Gewissen haben, genauso entsetzt sein, wie über 59 getötete Bundeswehr-Soldaten, würden wir jetzt nicht darüber streiten, ob man letztere besser mit oder ohne Fackeln ehrt. Wir würden darüber diskutieren, ob wir die politisch und militärisch Verantwortlichen für Angriffskrieg und Kriegsverbrechen an eine afghanische Regierung oder den Internationalen Strafgerichtshof ausliefern. Stattdessen bleiben die rund 175.000 afghanischen Toten des Afghanistankriegs unsichtbar: im kollektiven Bewusstsein wie im Zapfenstreich.

https://twitter.com/dergazetteur/status/1448398132157599748

Berliner Verwaltungsgericht weist BDS-Klage ab

Ein Privileg haben Afghaninnen zumindest noch. Über das Unrecht, das ihnen widerfährt, kann in Deutschland aufgeklärt werden. Dieses Recht genießen Palästinenser seit einigen Jahren kaum noch. Der Grund, warum sich pro-palästinensische Vereine, linke israelische Aktivistinnen, selbst jüdische Künstler immer häufiger mit Raumabsagen, gestrichenen Geldern und öffentlichen Kampagnen konfrontiert sehen, ist die BDS-Resolution des Bundestages von 2019.

Drei BDS-Anhänger haben vergangenen Donnerstag (7.10.) deshalb vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen den Bundestag geklagt – und verloren. Die drei werteten das Ergebnis aber dennoch als Erfolg: Zum einen, weil die Klage überhaupt zugelassen wurde. Zum anderen, weil das Gericht ein Berufungsverfahren zuließ und es deshalb bald in der nächsten Instanz weiter geht.

Einen Text zur Verhandlung gibt es in der taz. Einen schönen Kommentar mit allerlei juristischen Einordnungen und Erklärungen gibt es im Verfassungsblog.

Kein Muezzin ruft zum Gebet und alle drehen durch

Was im letzten Wochenrückblick noch als kleine positive Meldung zum Schluss durchging, entwickelte sich in der letzten Woche doch noch zur gigantischen rassistischen Kampagne. Ganz kurz die Fakten: In Köln haben zukünftig 35 Moscheen (!) die Möglichkeit (!), freitags für die Dauer von fünf Minuten (!), nach vorheriger behördlicher Genehmigung (!) und Informierung aller Anwohner durch Flyer (!) mit geringer Lautstärke (!) zum Gebet zu rufen.

Die Folge: Eine Islamisierungsparanoia und Überfremdungshysterie, wie man sie selbst in chronisch islamisierungsparanoiden und überfremdungshysterischen Medien selten erlebt. Von Mansour über Kelek und Schröter bis Abdel-Samad: So ziemlich alle Islamophobie-Promis meldeten sich irgendwo zu Wort. Das Besondere: Viele bemühten sich nicht einmal, ihren antimuslimischen Rassismus wie sonst üblich als „Kritik am Politischen Islam“ zu tarnen und ließen ihrem Islamhass einfach freien Lauf. Das vielleicht krasseste Beispiel: Bild Live-Chef Claus Strunz.

Genutzt hat die Möglichkeit zum Gebetsruf bisher übrigens keine einzige Moschee. Kein Wunder, schließlich hätte sie einen Platz auf Seite eins der BILD sowie zahlreiche Anschlagsankündigungen sicher.

Bald mehr Moscheen in Ostdeutschland als Kirchen in Afghanistan

Zum Abschluss eine Meldung aus der Reihe „Es war nicht alles schlecht im Abendland“. Nach fast zehnjährigem Hin und Her scheint es so, als bekomme Sachsen tatsächlich seine erste als solche erkennbare Moschee. Die Stadt Leipzig hat eine entsprechenden Bauantrag der Ahmadiyya-Gemeinde genehmigt.

Der Neubau im Stadtteil Gohlis wäre zudem nach der Khadija-Moschee in Berlin-Pankow und der zurzeit noch im Bau befindlichen Moschee im thüringischen Erfurt die dritte als solche erkennbare Moschee im Osten des Landes. Damit stünden in Ostdeutschland dann auch endlich mehr repräsentative Moscheen als Kirchen in Afghanistan.

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